BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts der Zerstörungen an den Nord-Stream-Gasröhren und Angriffen auf die Bahn rückt die Sicherheit bei kritischen Infrastrukturen zunehmend in den Blick. Bundesinnenministerin Nancy Faeser forderte Betreiber von entsprechenden Einrichtungen auf, mehr Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Auf einem Grünen-Parteitag in Bonn riefen die Delegierten die SPD-Politikerin indes dazu auf, sich schnell um Reformen zum Schutz kritischer Infrastruktur zu kümmern.

Faeser sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", Betreiber müssten "massiv investieren", um Strukturen mehrfach aufzubauen und mehr Backup-Systeme vorzuhalten, sollten die Hauptsysteme ausfallen. "Die Betreiber müssen sich umfassend gegen Gefahren wie Naturkatastrophen, Terrorismus, Sabotage aber auch menschliches Versagen wappnen", mahnte die Ministerin auch in der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag).

Die Zerstörungen an den Ostsee-Pipelines und die Angriffe auf die Deutsche Bahn hätten deutlich gezeigt, "dass wir eine veränderte Bedrohungslage haben. Wir müssen uns auf alle denkbaren Szenarien einstellen und Schutzmaßnahmen weiter hochfahren." Deshalb werde die Polizei auf See viel mehr Präsenz zeigen, sagte sie der "FAS". Auch Grünen-Chef Omid Nouripour sagte in Bonn, Sabotage an den Pipelines, bei der Deutschen Bahn oder der Stromausfall auf der dänischen Insel Bornholm hätten gezeigt, wie akut das Problem sei.

Die Diskussion war aufgekommen, nachdem bei Explosionen in der Ostsee die beiden Erdgasröhren von Nord Stream 1 und einer der beiden Stränge von Nord Stream 2 zerstört worden waren. Allerdings wurde durch die Leitungen aktuell ohnehin kein Gas aus Russland nach Deutschland geliefert. Zudem hatten Unbekannte am vergangenen Wochenende an zwei Stellen in Nordrhein-Westfalen und Berlin ein wichtiges Funknetz der Bahn gekappt, so dss der Bahnverkehr in Norddeutschland für mehrere Stunden vollständig zum Erliegen kam.

Zur kritischen Infrastruktur (Kritis) zählen unter anderem Einrichtungen aus den Sektoren Energie, Verkehr, Wasser, Ernährung, Staat und Verwaltung, Gesundheit, Informationstechnik und Telekommunikation. Faeser bekräftigte, dass sie noch in diesem Jahr Eckpunkte für ein neues Kritis-Dachgesetz vorlegen will. Es soll festschreiben, wie sich Betreiber besser schützen und wann sie einen Vorfall melden müssen.

Faeser räumte in der "FAS" zugleich ein, es werde nicht möglich sein, "34 000 Kilometer Bahnstrecken und Millionen Kabel-Kilometer vollumfänglich mit Kameras, Sensoren oder gar Polizeibeamten zu schützen".

Der Vorsitzende des Bundestag-Kontrollgremiums für die Geheimdienste (PKGr), Konstantin von Notz, kritisierte, in den vergangenen Jahren sei viel versäumt worden. Zentrale sicherheitspolitische Risiken seien über Jahre nicht erkannt worden. Das räche sich jetzt, sagte der Grüne der "FAS". Sein Stellvertreter, CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, rief die Bevölkerung auf, sich besser gegen Stromausfälle zu wappnen. Die Regierung müsse den Bürgern sagen: "Schafft euch Radios mit Batterien an, sorgt für einen Wasservorrat."

"Ein Blackout ist ein realistisches Szenario", sagte auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, der "Süddeutschen Zeitung". "Die Menschen seien bisher unerfahren mit Krisen und Katastrophen. "Deshalb ist eine kontinuierliche, transparente und niedrigschwellige Aufklärung über mögliche Risiken wichtig."/shy/DP/men