München (Reuters) - Im Betrugsprozess um den Skandalkonzern Wirecard will sich der bisher einzige schweigende Angeklagte in der kommenden Woche in die Karten gucken lassen.

Im Ringen mit dem Gericht um ein mögliches Geständnis des früheren Chefbuchhalters Stephan von Erffa will sich seine Verteidigerin in der Verhandlung am kommenden Mittwoch äußern, wie das Landgericht München am Donnerstag mitteilte. Danach seien Termine eingeplant, in denen Erffa nach anderthalb Jahren Prozessdauer sein Schweigen brechen könnte.

Die Anwältin Sabine Stetter wolle am Mittwoch eine Erklärung abgeben, sagte der Vorsitzende Richter Markus Födisch in der Gerichtsverhandlung. Ein Gerichtssprecher erläuterte später, Thema sei das Hintergrundgespräch, in dem Erffas Anwälte, Richter und Staatsanwälte zuletzt um ein mögliches Geständnis gerungen hatten. Für Erffa reserviert seien nun der 11., der 17. und der 18. Juli. Ob er aber gesteht oder sich anderweitig äußert, ist offen. Stetter äußerte sich nicht dazu.

In dem Strafprozess um die spektakuläre Pleite des Zahlungsdienstleisters ist Erffa der unscheinbarste der drei Angeklagten. Er hat bisher geschwiegen, während Ex-Chef Markus Braun und der geständige Auslandsmanager Oliver Bellenhaus sich seit anderthalb Jahren gegenseitig beschuldigen. Die Staatsanwaltschaft stützt ihren Vorwurf der groß angelegten Bilanzfälschung unter anderem auf Bellenhaus als Kronzeugen, während Braun die Anschuldigungen zurückweist.

Erffa saß bei Wirecard zwischen Braun und Bellenhaus. Er hat von seinen Anwälten zwar einige Vorwürfe zurückweisen lassen, aber bisher nicht klar erkennen lassen, ob er sich auf die eine oder die andere Seite schlägt. Seine Anwälte haben lediglich durchblicken lassen, dass ein von Richter Födisch in Aussicht gestellter Deal bei ihnen nicht auf Begeisterung stößt. Födisch hatte einen Strafrahmen von sechs bis acht Jahren für den Fall in den Raum gestellt, dass Erffa ein Geständnis ablegt.

Bis kurz vor der Wirecard-Pleite im Jahr 2020 hatte selbst die Commerzbank als Kreditgeber noch Zweifel an der Stichhaltigkeit der Vorwürfe gegen das Unternehmen, wie der frühere Commerzbank-Vorstand Marcus Chromik am Donnerstag als Zeuge sagte.

(Bericht von Jörn Poltz, redigiert von Ralf Banser.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)