Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--EZB-Ratsmitglied Joachim Nagel hat sich für die Einführung eines digitalen Euro durch die Europäische Zentralbank (EZB) ausgesprochen. "In meinen Augen sollten wir die Chancen nutzen, die sich mit digitalem Zentralbankgeld bieten. Es hat große Potenziale", sagte Nagel laut veröffentlichtem Redetext bei einem Vortrag in Frankfurt. Der Präsident der Deutschen Bundesbank sprach sich dafür aus, die Untersuchungen für einen digitalen Euro "mit großer Sorgfalt" vorzunehmen und dabei auch eine Zusammenarbeit mit anderen Zentralbanken ins Auge zu fassen.

Die EZB hatte im Juli 2021 beschlossen, zwei Jahre lang die Möglichkeit eines digitalen Euro zu untersuchen. Im Anschluss würden die konkreten Arbeiten an der neuen Währung beginnen, die auch eine Kooperation mit den anderen europäischen Gremien erfordern würden. Diese Phase sollte drei Jahre dauern.

Nagel skizzierte in seiner Rede mehrere Aspekte eines digitalen Euro:

1. Konsum

Normale Verbraucher sollen den digitalen Euro als Ergänzung zu Bargeld und Giralgeld nutzen können. Dabei gibt es die Möglichkeit einer Online-Lösung für den stationären und Online-Handel und für die Zahlung zwischen Personen sowie zwischen Personen und öffentlichen Stellen. Eine andere Möglichkeit ist die Offline-Lösung, bei der Privatpersonen Zahlungen anonym austauschen können. Sie würde Nagel zufolge aber mit bestimmten Obergrenzen versehen werden müssen, um kriminelle Aktivitäten zu unterbinden.

2. Banken

Sie sollen dagegen geschützt werden, dass Kunden im Falle einer Krise massenhaft ihre Einlagen bei den Instituten abziehen und im digitales Zentralbankgeld umtauschen ("Bank Run"). Nagel zufolge könnten entweder feste oder flexible Obergrenzen für den Besitz eines digitalen Euro eingeführt werden. "Wie genau der Einsatz solcher Instrumente aussehen könnte und wo letztlich die genauen Obergrenzen oder Schwellenwerte lägen, wird erst kurz vor einer potenziellen Einführung des Digitalen Euro endgültig festgelegt werden können", sagte Nagel.

3. Internationale Kooperation

Der Bundesbank-Präsident ist prinzipiell dafür, dass die Zentralbanken weltweit bei der Einführung digitalen Zentralbankgelds kooperieren. Je weitergehender diese Kooperation, desto größer wäre einerseits der Nutzen, desto höher aber andererseits auch der Planungsaufwand und Abstimmungsbedarf zwischen unterschiedlichen Rechtssystemen. Nagel warnte andererseits vor der völlig isolierten Einführung solcher Digitalwährungen.

"Eine erfolgversprechendere Zielvorstellung dürfte aber wohl ein Grad an Interoperabilität sein, der zwischen den Extremen liegt. Einerseits sollen die Effizienzgewinne deutlich spürbar sein. Andererseits müssen unterschiedliche Rechtsrahmen und Standards berücksichtigt werden", sagte er.

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DJG/hab/smh

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July 11, 2022 12:30 ET (16:30 GMT)