Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Deutsche Unternehmen beschäftigen sich nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) auch im Ausland immer stärker mit Nachhaltigkeitsthemen. "Für die deutschen Unternehmen im Ausland ist Nachhaltigkeit und sind die Themen der Nachhaltigkeit ein immer wichtigeres Themenfeld", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier bei einem Pressegespräch. "Mehr als zwei Drittel der Betriebe haben sich eigene Nachhaltigkeitsziele gesetzt, an deren Umsetzung sie auch global arbeiten, und das generell ohne regulatorischen Antrieb."

Treier verwies auf eine Sonderauswertung des DIHK zum AHK World Business Outlook, der auf den Rückmeldungen von weltweit mehr als 3.200 im Ausland vertretenen Betrieben beruhe, von 142 Standorten in mehr als 90 Ländern. "Die Antworten der Unternehmen zeigen, dass Nachhaltigkeitsthemen vielfach zu einem festen Bestandteil betrieblicher Abläufe und Entscheidungen geworden sind", erklärte er. "Dabei geht die Mehrheit der Unternehmen sogar über die Anforderungen hinaus, die von der Politik gesetzt werden."

Immer wichtiger werde für die deutschen Unternehmen im Ausland vor allem das Thema Sustainable Finance, also die nachhaltige Unternehmensfinanzierung. Durch die sogenannte Taxonomie sähen sich weltweit fast zwei Drittel der AHK-Mitgliedsunternehmen herausgefordert. Insbesondere in Afrika, Nah- und Mittelost spiele das Thema eine große Rolle. Drei von vier in dieser Region tätigen Unternehmen geben laut der Umfrage an, die Frage einer nachhaltigen Finanzierung gewinne für sie an Bedeutung.

Überdurchschnittliche Werte melde die Wirtschaft auch aus der Asien-Pazifik-Region sowie aus Ost- und Südosteuropa. "Die Betriebe bereiten sich weltweit darauf vor, ihre Finanzierungsentscheidungen und dabei die Suche nach Lieferanten nicht mehr nur von Marktchancen allein, sondern auch von Kriterien wie dem Umwelt- und Klimaschutz abhängig zu machen", erklärte der DIHK-Außenwirtschaftschef.


Energie- und Klimavorgaben stehen im Mittelpunkt 

Die Energie- und Klimapolitik bilde einen klaren Schwerpunkt der innerbetrieblichen Nachhaltigkeitsstrategien. Vier von zehn deutschen Firmen im Ausland befassten sich beispielsweise aktuell mit dem CO2-Grenzausgleichsmechanismus Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). "Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis angesichts der Tatsache, dass sich das Thema noch in der politischen Diskussionsphase befindet", sagte Treier.

Von großer Bedeutung ist für die Unternehmen laut der Umfrage auch der Europäische Emissionshandel. 45 Prozent der innerhalb der EU ansässigen AHK-Mitgliedsunternehmen sähen sich davon betroffen. Aber auch in anderen Regionen der Welt fühlten sich Firmen vom EU-Emissionshandel betroffen - beispielsweise durch Kostenüberwälzungen in der Lieferkette. Im asiatisch-pazifischen Raum gelte das für mehr als ein Drittel der Betriebe.

"Die Antworten belegen, dass Nachhaltigkeitsthemen für die meisten Firmen bereits zum festen Bestandteil ihrer Unternehmenspolitik gehören", sagte Treier. Zwischen kleineren Unternehmen und den größeren sei dabei kein Unterschied zu erkennen. Zwei Drittel beschäftigten sich bereits mit Nachhaltigkeitsfragen, obwohl sie von den Regelungen im täglichen Geschäft noch gar nicht betroffen seien. So befasse sich bereits fast jedes zweite deutsche Unternehmen im Ausland mit der Umsetzung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG), dabei greife das Gesetz für die große Mehrheit der deutschen Kunden erst ab 2024.

"Die deutschen Unternehmen in China beschäftigen sich aktuell vor allem mit dem Risiko-Assessment, führen also eine Status-quo-Analyse durch. Da die Durchführungsbestimmungen des LkSG noch nicht veröffentlicht sind, herrscht jedoch noch Unsicherheit bei den Unternehmen, wie dann schlussendlich die Implementierung des Gesetzes erfolgen wird", sagte das geschäftsführende Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in China, Jens Hildebrandt.

"Unsere AHK-Mitglieder nehmen das Thema Nachhaltigkeit überaus ernst. Doch aus regulatorischer Hinsicht sind insbesondere für die auslandsaktiven Industrieunternehmen hier große Herausforderungen zu bewältigen", betonte Treier. "Sie müssen künftig nicht nur im eigenen Betrieb hohe Menschenrechts- und Umweltstandards erfüllen, sondern gleichzeitig darauf achten, dass auch ihre Zulieferer dies tun." Das sei keine leichte Aufgabe - insbesondere, da die Zulieferer häufig nicht im selben Land oder Kontinent ansässig seien. Die Politik müsse "die Praktikabilität ihrer Vorhaben für die Unternehmen" im Auge behalten - insbesondere für die auslandsaktiven mittelständischen Betriebe.

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January 26, 2022 03:36 ET (08:36 GMT)