Berlin (Reuters) - Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland ist erstmals über die Schwelle von 80.000 gestiegen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Mittwoch binnen 24 Stunden 80.430 zusätzliche Ansteckungen. Das sind gut 21.500 Fälle mehr als vor einer Woche und damit so viele wie noch nie seit Ausbruch der Pandemie. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz kletterte im Zuge der Ausbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante auf 407,5 von 387,9 am Vortag. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte im Bundestag, dass Deutschland wegen strikterer Kontaktbeschränkungen noch nicht so stark von Omikron betroffen sei wie andere Staaten, dass die Zahlen aber auch hierzulande weiter steigen würden. Er bekräftigte zudem, dass er für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht sei. Diese solle für alle über 18-Jährigen gelten.

Bundestag und Bundesrat wollen am Donnerstag und Freitag über die neuen Quarantäne- und Isolationsregeln abstimmen. Danach soll die Zeit für Infizierte und Kontaktpersonen auf sieben Tage verkürzt werden, wenn dann ein negativer Test vorliegt. Vollgeimpfte mit Auffrischungsimpfung etwa müssen als Kontaktpersonen nicht mehr in Quarantäne. Dies soll auch der Booster-Kampagne einen weiteren Schub verleihen. Denn auch am Dienstag lagen die Impfungen mit 714.000 deutlich unter dem von Kanzler Scholz am Mittwoch anvisierten Ziel von einer Million Impfungen am Tag. Zuvor hatte er von 30 Millionen Impfungen im Januar gesprochen. Andere Länder wie die Schweiz verkürzen die Quarantäne gleich von zehn auf fünf Tage.

Trotz der Rekord-Infektionszahlen sieht der designierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai derzeit keine Notwendigkeit für eine Verschärfung der Corona-Beschränkungen. Die Bundesregierung habe die Situation bisher mit verhältnismäßigen Maßnahmen gut im Griff gehabt, sagte er den Sendern RTL und ntv. "Das ist die Strategie bis jetzt. Und ich glaube, dass man diese Strategie auch fortsetzen wird." Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen hatte dagegen weitere Maßnahmen wie die Schließung von Fitness-Clubs und der Gastronomie gefordert.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte vor einer explosionsartigen Ausbreitung der Corona-Variante Omikron in Europa gewarnt. Höchstwerte meldeten auch andere europäische Länder - etwa Frankreich am Dienstag mit fast 370.000 Fällen und Österreich am Mittwoch mit 17.006 Neuinfektionen. "Omikron dominiert jetzt auch in Deutschland das Infektionsgeschehen", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. "Wir können die Omikron-Welle nicht aufhalten, aber alles dafür tun, dass die Welle so flach wie möglich bleibt und der Höhepunkt uns so spät wie möglich erreicht."

Die Zahl der Neuinfektionen stieg bundesweit an, der Schwerpunkt lag aber weiter im Norden. So war Bremen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 1296,8 Spitzenreiter. Dahinter folgten Berlin mit 856,4 und Hamburg mit 568,9. Sieben der am schwersten betroffenen zehn Kreise lagen in Berlin. In Schleswig-Holstein betrug der Wert 633, in Mecklenburg-Vorpommern 426,1. Das RKI meldete zudem, dass 384 weitere Menschen im Zusammenhang mit dem Virus starben.

Weil Omikron zwar als hochansteckend gilt, aber im Schnitt zu weniger dramatischen Krankheitsverläufen führt, fiel die Hospitalisierungsrate am Mittwoch auf 3,13 - im Vergleich zu Höchstwerten bei der zweiten Pandemie-Welle von mehr als 15. Der Wert gibt an, wie viele Menschen auf 100.000 Einwohner in einer Woche mit einer Corona-Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Allerdings warnen Experten, dass durch die sehr hohe Zahl an Neuinfizierten die absolute Zahl an Patienten dennoch steigen kann. Auf den Intensivstationen deutete sich aber eine leichte Entspannung an: Am Mittwoch sank die Zahl der schwererkrankten Corona-Patienten in Krankenhäusern auf 3021.

WEITERE DEBATTE UM IMPFPFLICHT

Im Bundestag schwelt die Debatte über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht weiter. Auch die Co-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, hält nun eine Verabschiedung im ersten Quartal für möglich. Die parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, sagte, dass der Beschluss mit "sehr, sehr, sehr hoher Wahrscheinlichkeit" im März falle. An die Verabschiedung dürfte sich eine Übergangsphase anschließen, so dass eine allgemeine Impfpflicht bei einer Verabschiedung dann im Frühsommer greifen dürfte. Der Kanzler hatte sich zunächst für eine Einführung bis Ende Februar oder Anfang März ausgesprochen. Österreichs Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein kündigte an, dass in seinem Land die allgemeine Impfpflicht bereits Anfang Februar startet.

Scholz verteidigte im Bundestag, dass die Bundesregierung keinen eigenen Gesetzentwurf vorlegen will. Wegen der ethischen Bedeutung einer Impfpflicht würden fraktionsübergreifende Gruppenanträge von Befürwortern und Gegnern einer allgemeinen Impfpflicht zu einem politischen Frieden beitragen.