FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Große Überraschungen sind in der Woche der Notenbanksitzungen ausgeblieben. Gerade in der Eurozone haben die Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Leitzinserhöhungen aber einen kleinen Dämpfer erhalten. Das hat auch Auswirkungen auf den Anleihehandel.

16. Juni 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Nachdem die amerikanische Notenbank zur Wochenmitte wie erwartet eine Pause in ihrem Zinserhöhungszyklus eingelegt hat, ging es mit den Leitzinsen in der Eurozone am Donnerstag weiter nach oben. Die Europäische Zentralbank hob den Einlagensatz wie erwartet um 25 Basispunkte auf jetzt 3,50 Prozent an. Und ein Ende des Erhöhungszyklus ist noch nicht in Sicht. "Mindestens zwei weitere Anhebungen sind am Markt eingepreist. Und das muss noch nicht das Ende der Fahnenstange sein", erklärt Klaus Stopp, Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank die aktuelle Lage.

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EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte nach der Entscheidung betont, dass die Zinsen unverändert auf ein angemessenes Niveau gebracht werden müssen, um im Kampf gegen die Inflation erfolgreich zu sein. Die Teuerungsrate bleibt ein Problem, das sich hartnäckig hält. "Die eigentliche Überraschung ist die Anhebung der eigenen Inflationsprojektionen für die Jahre 2024 und 2025, vor allem aufgrund des nach wie vor sehr robusten Arbeitsmarkts mit der Gefahr deutlich steigender Löhne", erklärt Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei Donner & Reuschel. Damit unterstreiche die EZB den anhaltend zu hohen Inflationsdruck und die Notwendigkeit, diesem mit restriktiver Geldpolitik zu begegnen. "Vonseiten der Geldpolitik sind damit für die Kapitalmärkte vorerst keine positiven Impulse zu erwarten", ergänzt Mumm.

Kurzlaufende Bonds werden favorisiert

Die Rentenmärkte kamen nach der EZB-Entscheidung etwas unter Druck. Der Bund-Future als Kursbarometer langlaufender Bundesanleihen liegt am Freitagmittag bei 133,07 Punkten und nähert sich damit seinem Jahrestief bei rund 131 Punkten. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen ist im Gegenzug auf 2,49 Prozent nach 2,42 Prozent in der Vorwoche gestiegen.

Noch deutlicher fiel der Anstieg bei den kurzen Laufzeiten aus, wodurch sich die Inversion weiter verstärkt. Die Rendite der zweijährigen Bundesanleihe kletterte auf Wochensicht von 2,95 Prozent auf aktuell 3,14 Prozent. In diesem Segment wird aktuell auch am meisten gehandelt. "Wir sehen relativ viele Umsätze im kurzen Bereich der öffentlichen Anleihen", berichtet Stopp. Als Beispiele nennt er die nur noch ein halbes Jahr laufende Bundesschatzanweisung mit einer jährlichen Rendite von 3,3 Prozent (DE0001104867) sowie die im Februar 2024 fällige Bundesanleihe, die aktuell mit 3,2 Prozent rentiert (DE0001102333).

Im Handel mit Unternehmensanleihen herrscht bei der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank unverändert reger Handel mit der neuen Grenke-Anleihe, die bis 2026 jährlich einen Kupon von 6,75 Prozent verspricht (XS2630524986). "Das Papier wird überwiegend gekauft", berichtet Gregor Daniel.

Dasselbe gilt wie schon in der Vorwoche für die ebenfalls in vier Jahren fällige Nullkuponanleihe von Nestlé, deren Rendite auf 3,3 Prozent gestiegen ist (XS2350621863).

Käufe sieht der Rentenhändler zudem bei dem neu aufgelegten Bond des Autovermieters Sixt mit einem Kupon von 5,125 Prozent und einer Laufzeit bis September 2027 (DE000A351WB9). Die Anleihe rentiert aktuell bei 4,4 Prozent. Bei der Baader Bank werden Anleihen auf Porsche (XS2615940215) und Bayer (XS2630111982) verstärkt gehandelt.

Anleihe von ERWE Immobilien bricht ein

Im Segment der Mittelstandsanleihen steht aktuell eine Anleihe von ERWE Immobilien (DE000A255D05) schwer unter Druck Das Unternehmen hatte am späten Sonntagabend eine "umfassende finanzielle Restrukturierung" angekündigt. Dabei geht es unter anderem um die Stundung der eigentlich schon am 10. Juni fälligen Zinszahlung und eine Umwandlung der Anleihe in Eigenkapital. "Das sind leider wieder schlechte Nachrichten aus dem Immobiliensektor", bedauert Rainer Petz von Oddo BHF, der zudem von einer "ganz schlechten Umtauschquote" für die Anleger*innen spricht. Der Kurs der Ende des Jahres fälligen Anleihe mit einem Volumen von 40 Mio. Euro notiert aktuell nur noch bei ca. 15 Prozent. Vor einer Woche waren es noch rund 50 Prozent. Petz beobachtet hier vor allem Verkäufe. Für noch investierte Anleger*innen bietet die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) unter www.sdk.org/erwe einen kostenlosen Newsletter an, mit dem man über die weiteren Entwicklungen informiert werden soll.

Von Thomas Koch, 16. Juni 2023 © Deutsche Börse AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)