FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Frank befasst sich mit den Risiken von Investments in Unternehmen aus nicht-demokratischen Staaten.

22. August 2022. FRANKFURT (pfp Adisory). "Warum habt ihr euch mit euren Fonds eigentlich auf deutsche Aktien spezialisiert?", werden wir von pfp Advisory oft gefragt. Zu den Gründen haben sich mein Geschäftspartner Roger Peeters und ich schon häufig geäußert, teilweise auch an dieser Stelle. Deshalb verzichte ich darauf, unsere Beweggründe und die aus unserer Entscheidung resultierenden Vor- und Nachteile hier aufzuzählen.

Einen Aspekt führte ich in solchen Gesprächen bisher eher sporadisch an, weil er oft zu gelangweilten Gesichtsausdrücken führte. So auch gegenüber einem Bekannten, der meinen beruflichen Werdegang seit vielen Jahren wohlwollend-kritisch begleitet, mit meinen Risikoeinschätzungen aber nicht immer übereinstimmt. Er wagt sich gerne in Bereiche des Kapitalmarkts vor, die ich schon für riskanter halte: Genussrechte zweifelhafter Qualität, wenig bekannte Kryptowährungen oder Pennystocks, vorzugsweise von Rohstoff-Explorern.

Seit einigen Jahren ist er auch in russischen Aktien investiert, hauptsächlich wegen verlockend niedriger Bewertungen und hoher Dividendenrenditen. Genauer gesagt in die Hinterlegungsscheine namens ADR, die er seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nicht mehr handeln kann. Deshalb hat er nun ein Problem, für das vorerst keine wirklich sinnvolle Lösung existiert. Dabei ist er ein kundiger Anleger und wusste, dass er eigentlich keine Aktien hielt, sondern Zertifikate, mit allen damit verbundenen Eigenheiten und Spezialrisiken, und das mit Bezug auf ein Land, das sich westlichen Rechtsnormen nicht verpflichtet fühlt. Wenn ich darauf zu sprechen kam, rollte er meist mit den Augen und erwiderte, Letzteres sei doch allenfalls ein theoretisches Risiko.

Mir persönlich dagegen war das politische Risiko in Russland seit langem zu groß, weshalb ich dort auch privat nicht investierte. Mein Schlüsselerlebnis war die Zerschlagung von Yukos vor knapp zwanzig Jahren. Yukos war eines der größten Unternehmen Russlands, die Aktie auch bei nicht-russischen Anlegern beliebt. Doch als sein Vorstandsvorsitzender Michail Chodorkowski 2003 in offene Opposition zum Kreml und Wladimir Putin trat, ging alles ganz schnell: Yukos wurde für bankrott erklärt, der werthaltige Teil in den staatsnahen Rosneft-Konzern eingegliedert. Chodorkowski wurde nie russischer Präsident, sondern saß über zehn Jahre im Gefängnis.

Der "Fall Yukos" machte nachhaltigen Eindruck auf mich: Wenn eines der größten Unternehmen eines Landes mehr oder weniger willkürlich zerschlagen werden kann, genügt dies schlicht und ergreifend nicht meinen Mindeststandards an Rechtssicherheit. Dass Yukos vermutlich auch keine ganz weiße Weste hatte, ist bei diesen Überlegungen nebensächlich. Denn hier ging es mir nie um moralische Kategorien, sondern um eine schlichte Risikoabwägung mit dem Ergebnis: Mir persönlich ist es zu riskant, wenn ein Staat gegenüber Unternehmen so viel unkontrollierte Macht hat und sie auch ungeniert einsetzt. Denn niemand kann garantieren, dass der Bannstrahl dieses Staates nicht plötzlich auch meine Investments trifft. Und das ist es mir nicht wert, niedrige Bewertungen hin oder her. Die Vorstellung, eines Tages morgens aufzuwachen, nur noch eine wertlose Aktienhülle im Depot zu haben und sich de facto nicht dagegen wehren zu können, ist ein Albtraum.

Und genau das ist eben der entscheidende Unterschied zu Deutschland. Unser Rechtssystem mag manchmal träge, umständlich und zu staatsnah sein. Meiner Einschätzung nach ist es aber stabil und genügend robust gegenüber staatlicher Willkür, um einen Vorgang à la Yukos auszuschließen. Und sollte es dann doch einmal zu Rechtsstreitigkeiten kommen, finden diese bei deutschen Firmen in der Regel in Deutschland oder innerhalb der EU statt, also in einem mir vertrauten Rechtsraum. Ein klarer Pluspunkt für Investments in Deutschland, z. B in entsprechende Aktienfonds, wenn man wie ich aus Compliance-Gründen nicht in deutsche Einzelaktien investiert.

Kommt es, wie im Jahr 2022, wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine und den westlichen Sanktionen, hart auf hart, zeigt sich der Nachteil, in Anlagen investiert zu sein, die einem ganz anderen Rechtssystem unterliegen, plötzlich in seiner ganzen Hässlichkeit. Nicht-inländische Anleger sind dann ganz schnell schlechter dran als inländische und müssen schauen, wo sie bleiben. Ich könnte mir vorstellen, dass mein Bekannter das mittlerweile ähnlich sieht. Vielleicht kommt er auch ins Grübeln, ob ADRs auf Aktien aus China, dessen Regime seit einiger Zeit ebenfalls willkürlich Unternehmensstrukturen zerstört, nicht auch Risiken beinhalten, die er bisher unterschätzt hat.

von Christoph Frank, 22. August 2022, © pfp Advisory

Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (LU1865032954), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds, sowie den im August 2021 gestarteten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN A3CM1J). Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)