Frankfurt (Reuters) - Die deutschen Finanzaufseher wollen wegen zunehmender Risiken im Finanzsystem und explodierender Immobilienpreise wieder ein größeres Krisenpolster von den Banken verlangen.

"Wir müssen jetzt präventiv handeln, jetzt am Beginn einer Aufschwungphase, um das Finanzsystem vor zukünftigen Risiken zu schützen", sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch am Mittwoch bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit BaFin-Chef Mark Branson und Finanz-Staatssekretär Carsten Pillath. Der Ausschuss für Finanzstabilität (AFS), in dem die drei Institutionen sitzen, sieht Handlungsbedarf. Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), der Zusammenschluss der deutschen Bankenverbände, kritisierte die Entscheidungen.

Die Finanzaufseher planen, den sogenannten antizyklischen Kapitalpuffer von aktuell null Prozent auf 0,75 Prozent anzuheben. Dabei geht es um einen Aufschlag auf andere Reserven, der zur Abfederung von Konjunkturabschwüngen dient. Zudem soll für Wohnimmobilienkredite ein zusätzlicher sektoraler Puffer von zwei Prozent eingeführt werden. Die Bundesbank warnt bereits seit längerem vor Übertreibungen am Immobilienmarkt.

Zwar habe sich das Finanzsystem in der Corona-Krise als robust erwiesen, die Verwundbarkeiten hätten aber zugenommen, begründete die BaFin die Pläne. Bei Wohnimmobilien stiegen Preise und Kreditvolumina besonders schnell. "Für die BaFin sind das entscheidende Signale, dass es jetzt an der Zeit ist, das Finanzsystem widerstandsfähiger zu machen", sagte Branson. Bundesbank-Vizepräsidentin Buch stieß ins selbe Horn. Wohnimmobilien seien inzwischen zwischen zehn und 30 Prozent überbewertet. Zudem würden Kreditrisiken immer mehr unterschätzt und die Zinsänderungsrisiken hätten zugenommen. So könnten sich etwa abrupte Börsenkorrekturen negativ auf die Finanzstabilität auswirken.

"Die Banken werden durch diese beiden Maßnahmen nicht über Gebühr strapaziert", sagte Branson. Insgesamt würden durch die Schritte 22 Milliarden Euro an hartem Kernkapital im System gehalten, um zukünftige Risiken abzufedern. Davon gingen 17 Milliarden Euro auf den antizyklischen und fünf Milliarden Euro auf den sektoralen Puffer zurück. Geldhäuser hätten ausreichend Zeit, sich auf die Maßnahmen einzustellen. Sie sollen die Schritte bis zum 1. Februar 2023 vollständig umsetzen. In trockenen Tüchern ist der Kapitalaufschlag aber noch nicht: Am Mittwoch begannen Anhörungen zu dem Vorhaben.

KRITIK AUS DER BANKENBRANCHE

Die Bankenbranche kritisierte die Pläne. "Die Aktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers kommt dem Anziehen einer Handbremse gleich", erklärte die DK. Der Schritt komme zur Unzeit, da die wirtschaftliche Erholung mit hoher Unsicherheit behaftet sei und eine dynamische Kreditvergabe vor allem an Unternehmen nötig sei. "Die Erhöhung der Kapitalanforderungen auf breiter Front wird die Kreditvergabekapazität der Banken und Sparkassen deutlich einschränken," warnte die DK.

Kritisch sieht sie auch den geforderten zusätzlichen Puffer für Wohnimmobilienkredite: "Die gewählte Maßnahme trifft undifferenziert jede Wohnimmobilienfinanzierung von Banken und Sparkassen." Die Gefahr nehme dadurch zu, dass Finanzierungssuchende in andere weniger stark regulierte Sektoren der Finanzwirtschaft ausweichen.