- von Alexander Hübner

Herzogenaurach (Reuters) - Der neue Adidas-Chef Björn Gulden will den Sportartikelhersteller nach dem abrupten Ende der lukrativen Partnerschaft mit dem Skandal-Rapper Kanye West zurück in die Erfolgsspur führen.

Das werde aber dauern, bremste Gulden am Mittwoch in Herzogenaurach die Erwartungen. "2023 wird ein Übergangsjahr" - mit einem Verlust von bis zu 700 Millionen Euro, dem ersten seit gut 30 Jahren. "Wir müssen Lagerbestände abbauen und Rabatte reduzieren. 2024 können wir dann wieder mit dem Aufbau eines profitablen Geschäfts beginnen", sagte Gulden. Finanzchef Harm Ohlmeyer betonte, Adidas sei von drei Nackenschlägen in einem Jahr getroffen worden, die nur schwer zu verkraften gewesen seien.

Neben dem Aus für die von West designte "Yeezy"-Produktlinie litt Adidas 2022 unter den Lockdowns in China, die den Umsatz dort um 36 Prozent einbrechen und die rekordhohen Margen auf einen Bruchteil zusammenschmelzen ließen. Der Krieg in der Ukraine erzwang den Rückzug aus Russland. Der Umsatz stagnierte währungsbereinigt bei 22,5 Milliarden Euro. Der Nettogewinn schrumpfte um 83 Prozent auf 254 Millionen Euro. Die Dividende für 2022 wird auf 70 Cent (2021: 3,30 Euro) zusammengestrichen.

Am härtesten trifft Adidas das Aus für die "Yeezy"-Schuhe, von denen Millionen über Lager in aller Welt verstreut liegen. Guldens Vorgänger Kasper Rorsted hatte nach verbalen Ausfällen und antisemitischen Äußerungen Wests die Partnerschaft mit dem US-Rapper beendet, der über Jahre für das Design der Produktlinie verantwortlich war. Gulden verteidigte die Entscheidung, es sei aber "sehr, sehr traurig", dass Adidas die Produktlinie verloren habe, die jedes Jahr Milliardenumsätze und hohe Margen brachte. West, der sich inzwischen "Ye" nennt, sei einer der kreativsten Menschen überhaupt. "Wir können 'Yeezy' nicht ersetzen. Solch ein Geschäft gibt es kein zweites Mal", sagte Gulden.

Allein im vierten Quartal fehlten Adidas damit 600 Millionen Euro Umsatz und 250 Millionen Gewinn. Bei den Restbeständen steckt Gulden in einem Dilemma: Lässt er die begehrten Schuhe vernichten, muss Adidas eine halbe Milliarde Euro abschreiben - neben den 500 Millionen Gewinn, die 2023 ohnehin fehlen. Das komme schon aus Gründen der Nachhaltigkeit nicht in Frage, sagte der neue Chef. Verkauft Adidas sie doch noch, würde West noch Provisionen kassieren. Adidas wolle damit jedenfalls kein Geld mehr verdienen, ein möglicher Erlös solle jenen zugute kommen, die durch Wests Äußerungen verletzt worden seien. Die Schuhe ohne "Yeezy"-Label zu verkaufen, wäre "unehrlich", sie an Bedürftige zu verschenken, schaffe auch Probleme, sagte Gulden.

Der Norweger war zum Jahreswechsel vom kleineren Rivalen Puma gekommen, der in der fränkischen Kleinstadt nur ein paar Straßen weiter sitzt. Es fühle sich an wie ein Nachhausekommen, sagte Gulden. "Ich bin ein Adidas-Kind." Der ehemalige Profi-Fußballer hatte seine Karriere bei Adidas begonnen, stand aber zehn Jahre an der Spitze von Puma. Im weißen Kapuzenpulli und orangefarbenen "AdiZero"-Laufschuhen jonglierte Gulden bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Adidas-Chef einen Adidas-Fußball.

Einen Teil seines Erfolgsmodells von Puma will er auf Adidas übertragen. Anders als Rorsted, der ganz auf den Verkauf über die eigenen Online-Shops gesetzt hatte, will Gulden den Groß- und Sportfachhandel wieder ernster nehmen, über den Adidas immer noch 61 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet. Die meisten Kunden wollten vergleichen. Adidas müsse sein Angebot auch stärker auf lokale Bedürfnisse zuschneiden. Damit will der Konzern in China wieder auf die Beine kommen, wo lange Lockdowns und ein Boykott westlicher Marken dem jahrelangen Boom ein Ende setzte.

Dort, aber vor allem in den USA türmen sich Lagerbestände, die in den nächsten Monaten mit hohen Rabatten verramscht werden müssen, die auf die Margen drücken. "Das macht mir die meisten Sorgen", sagte Gulden. Sechs Milliarden Euro seien die Bestände wert, das sei mindestens eine Milliarde zu viel, rechnete er vor. Seit sechs bis acht Wochen kämen aus China wieder positive Signale. Finanzvorstand Ohlmeyer rechnet damit, dass die Lager bis zur Jahresmitte weitgehend bereinigt seien.

BIS ZU 16 MILLIONEN EURO FÜR DEN EX-CHEF

Die Probleme in China und die schlechte Stimmung im Konzern hatten Guldens Vorgänger Rorsted den Job gekostet. Ihm versüßt Adidas den Abschied mit bis zu 16 Millionen Euro. Der Däne, der im November fast vier Jahre vor seinem Vertragsende gegangen war, bekommt eine Abfindung von zwölf Millionen Euro, wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht. Dazu kommen rund 3,6 Millionen Euro als Entschädigung dafür, dass er in den nächsten 18 Monaten nicht bei einem Branchenkonkurrenten anheuern darf.

(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)