HANNOVER (dpa-AFX) - Die IG Metall warnt die Arbeitgeber vor Schwarzmalerei in der anstehenden Tarifrunde und hält mögliche Lohnsteigerungen für die Beschäftigten für gerechtfertigt. Gleichzeitig müssten die Betriebe angesichts des Strukturwandels in der Auto-, Metall- und Elektroindustrie deutlich mehr eigene Anstrengungen für die Qualifikation ihrer Mitarbeiter unternehmen.

Im Vergleich zur letzten Tarifrunde habe sich die wirtschaftliche Lage zwar verändert, sagte der Bezirkschef der Gewerkschaft in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Thorsten Gröger. "Aber Begriffe wie Krise oder Rezession sind nicht angesagt. Nach langer Hochkonjunktur gibt es jetzt eine Eintrübung." Der private Konsum bleibe eine Stütze, die IG Metall rechne 2020 mit einem Wachstum von 0,7 bis 1,1 Prozent. "Insofern müssen wir da schon genauer hinschauen."

Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Niedersachsen-Metall, Volker Schmidt, hatte auf die komplizierten Rahmenbedingungen verwiesen: "Wir stehen vor der schwierigsten Tarifrunde seit zehn Jahren. Die Zeiten, in denen Verteilungsprobleme aus dem Zuwachs gelöst werden konnten, sind nach neun Jahren Konjunkturaufschwung vorbei." In der Autoindustrie gebe es "geradezu tektonische Umwälzungen". Solle der Flächentarifvertrag erhalten bleiben, müsse die Gewerkschaft "mit Realismus und gemeinsam mit den Arbeitgebern pragmatische Antworten auf die größte Krise unserer Industrie seit einem Jahrzehnt" finden, sagte Schmidt.

Gröger hält diese Bewertung insgesamt für zu pessimistisch - gleichwohl gebe es Probleme in einigen Unternehmen. "Natürlich haben wir Betriebe, in denen Kurzarbeit ein Thema ist. Aber es ist nicht so, dass da ein Antrag nach dem anderen kommt." Auch bei den Handelskonflikten gebe es nach der Teileinigung zwischen China und den USA eine leichte Beruhigung - das sei wichtig für den Export.

Die Gewerkschaft verlangt von den Firmenleitungen mehr Initiative bei der Weiterbildung ihrer Beschäftigten, um den Umbruch zu Digitalisierung und E-Mobilität stemmen zu können. In vielen Fällen gebe es "keinen konkreten Transformationsplan", kritisierte Gröger: "In den Unternehmen wird bei der Qualifikation noch viel zu wenig getan." Es bestehe das Risiko, dass nicht genug interne Programme aufgelegt würden. Dabei sei dies auch eine Kernaufgabe der Firmen.

Die Arbeitswelt dürfte sich fundamental ändern. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der dpa: "Wir brauchen dringend arbeitsmarktpolitische Instrumente, mit denen wir die Unternehmen bei der Transformation unterstützen können." Besonders kleine und mittelständische Firmen seien unter Druck.

"Die Bundesregierung muss jetzt sehr zeitnah die von den Sozialpartnern geforderte Flexibilisierung des Kurzarbeitergeldes und dessen Verbindung mit Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten auf den Weg bringen", forderte Weil. Auch die IG Metall will ein sogenanntes Transformations-Kurzarbeitergeld, das branchenspezifisch eingesetzt und nicht nur bei einem gesamtwirtschaftlichen Abschwung aktiviert werden könnte.

Die Forderung nach mehr Qualifizierung ist ein zentraler Punkt in den bevorstehenden Tarifrunden in der Metall- und Elektrobranche und bei Volkswagen. Höhere Entgelte sollen ebenfalls durchgesetzt werden, aber die IG Metall will vor allem möglichst viele Jobs absichern./jap/DP/he