Verkehrs-Staatssekretär Giancarlo Cancelleri dringt auf einen Entzug der lukrativen Konzession für den größten Straßenmaut-Einnehmer des Landes, der mehrheitlich der Industriellenfamilie Benetton gehört. Eine Entscheidung der Regierung aus Sozialdemokraten (PD) und "Fünf Sterne" wird in den kommenden Tagen erwartet. "Wir müssen ein starkes Signal setzen, und deshalb muss die Konzession für Autostrade per l'Italia widerrufen werden. Es gibt kein Alibi mehr", sagte Cancelleri, der der populistischen "Fünf Sterne"-Bewegung angehört, am Freitag der Zeitung "La Stampa".

Bei dem Brückeneinsturz im August 2018 waren 43 Menschen ums Leben gekommen. Seither tobt der Streit um die Verantwortung für das Unglück und die Konsequenzen. Eine Verstaatlichung des Autobahn-Netzes sei aber kein Thema, sagte Cancelleri. Vielmehr müsse die Konzession "an Unternehmer übergeben werden, die die Verträge einhalten wollen, die sie unterschreiben". ASPI ist für gut 3000 Kilometer Autobahnen und Schnellstraßen in Italien zuständig und kassiert dafür Maut. Das Unternehmen gehört zu 88 Prozent der Benetton-Holding Atlantia, zwölf Prozent der Anteile liegen beim Münchner Versicherer Allianz.

Die italienische Regierung hatte kürzlich beschlossen, die Entschädigung für den vorzeitigen Entzug einer Konzession zu begrenzen, wenn der Lizenznehmer seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. "Fünf Sterne"-Parteichef Luigi Di Maio hatte erklärt, das sei der erste Schritt zum Lizenzentzug für ASPI. Finanzkreisen zufolge müsste der italienische Staat dafür nur noch acht Milliarden Euro zahlen und nicht wie vorher 23 Milliarden. Allerdings ist die Koalition uneins über den Umgang mit Atlantia, die jegliches Fehlverhalten von sich weist. Die sozialdemokratische PD von Ministerpräsident Giuseppe Conte gibt sich gemäßigter.

BRÖCKELNDER TUNNEL HEIZT DEBATTE VON NEUEM AN

ASPI hatte erklärt, dass die Regelung womöglich gegen die Verfassung verstoße, und mit rechtlichen Schritten gegen einen Entzug der Konzession gedroht. Bei einem entschädigungslosen Lizenzentzug würde der Firma Unternehmenskreisen zufolge sogar die Pleite drohen. Dann könne ASPI Schulden in Höhe von 10,8 Milliarden Euro nicht mehr bedienen. Auch Atlantia-Kredite über 5,3 Milliarden wären dann gefährdet.

Die Debatte um Autostrade per l'Italia war in dieser Woche neu angeheizt worden. Auf einem ebenfalls von ASPI betreuten Autobahnabschnitt nahe der Hafenstadt Genua war das Dach eines Tunnels teilweise zusammengebrochen. Die Regierung forderte den Betreiber auf, die Kontrollen am Autobahnnetz zu beschleunigen und alle zehn Tage darüber Bericht zu erstatten.