Vilnius/Riga (Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) wird laut Litauens Notenbankchef Gediminas Simkus in diesem Jahr aller Voraussicht nach die Schlüsselzinsen wieder nach unten setzen.

Aus Sicht des Währungshüters ist eine erste Zinssenkung bereits im März aber unwahrscheinlich, wie er am Freitag in Vilnius zu Journalisten sagte. "Je weiter wir ins Jahr 2024 vordringen, desto größer ist die Chance auf eine Zinssenkung", sagte Simkus. Die Zunahme der Wahrscheinlichkeit sei exponentiell, nicht linear. Sein baltischer EZB-Ratskollege, Lettlands Notenbankchef, Martins Kazaks, warnte in Riga vor einer zu raschen Zinswende.

Auf ihrer geldpolitischen Sitzung am Donnerstag in Frankfurt hatte die EZB wie schon im Oktober und im Dezember die Füße stillgehalten. Die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde beließen den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Liquidität parken, bei 4,00 Prozent, den Leitzins bei 4,50 Prozent. Einen klaren Hinweis darauf, wann die erste Zinssenkung anstehen könnte, vermied Lagarde.

KAZAKS WARNT VOR ZU FRÜHER KURSWENDE

Auch Sicht Kazaks ist die EZB auf dem richtigen Weg, die Inflation einzudämmen. Möglicherweise wirkten die Maßnahmen stärker als bislang angenommen, es sei aber Geduld erforderlich, bis der Kurs geändert werden könne, sagte er. Die EZB sollte aus seiner Sicht erst noch mehr Daten zu den Löhnen und deren Auswirkungen auf das zugrunde liegende Preiswachstum analysieren. "Wenn man zu früh handelt, dann ist der Schaden, den man anrichtet, viel größer, als wenn man ein wenig zu spät dran ist", sagte Kazaks. Es gelte sicherzustellen, dass die Inflation nicht auf hohem Niveau verharre. Auch eine Rückkehr des Preisschubs müsse ausgeschlossen werden.

Zuletzt lag die Inflation im Dezember in der Euro-Zone bei 2,9 Prozent. Die EZB strebt 2,0 Prozent als optimalen Wert für die 20-Länder-Gemeinschaft an. "Die Risiken für die Inflation sind ausgeglichen", sagte Kazaks Reuters am Rande einer Konferenz in Lettlands Hauptstadt. Selbst wenn die EZB ihre Inflationsprognose deutlich senken würde und selbst wenn die Rate dabei für 2025 und 2026 auf unter zwei Prozent fiele, sollte aus seiner Sicht nicht aggressiv mit Zinssenkungen reagiert werden, wenn die Abweichung von der Zielmarke nicht groß sei und nicht lange anhalte. "Und der Grund ist eine sehr hohe Unsicherheit", merkte er an.

In den vergangenen drei Jahren hatte sich die Inflation zumeist nicht so entwickelt wie die Prognosen der Euro-Notenbank dies vorhergesagt hatten. Die nächsten Wirtschaftsprognosen der EZB-Ökonomen sollen den Währungshütern zur Zinssitzung am 7. März vorliegen.

(Reporter Andrius Sytas und Balazs Koranyi, geschrieben von Frank Siebelt, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)