(neu: Aussagen von Finanzchefin aus Telefonkonferenzen, Kurs)

BONN (dpa-AFX) - Nach den ersten sechs Monaten blickt die DHL Group etwas zuversichtlicher auf das Gesamtjahr. Als Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) erwartet das Management für 2023 statt 6 Milliarden nun mindestens 6,2 Milliarden Euro, wie der Konzern am Dienstag in Bonn mitteilte. Das obere Ende der operativen Gewinnspanne bleibe mit 7 Milliarden hingegen unangetastet. An der Börse wurden die Nachrichten jedoch mit einem Kursrutsch quittiert.

Die DHL-Aktie gehörte um die Mittagszeit mit einem Abschlag von rund viereinhalb Prozent zu den größten Verlierern im Dax. Ein Aktienhändler sprach von Gewinnmitnahmen der Anleger und einem durchwachsenen Zahlenwerk. Seit dem Jahreswechsel hatte das Papier bis Montag um mehr als 30 Prozent zugelegt. Der Logistikkonzern sei nun lediglich genau da gelandet, wo man es erwartet habe, merkte Analyst Samuel Bland von JPMorgan an.

Nach dem Rekordjahr 2022 befindet sich DHL im Abschwung. Wie schon zum Jahresauftakt konnte auch im zweiten Quartal nur die Lieferkettenlogistik den operativen Gewinn im Vergleich zum Vorjahr steigern. Hier bietet DHL den Kunden etwa Lagerbetrieb und -haltung sowie die Abwicklung von Versandretouren an.

Dieses Segment könnte 2023 beim operativen Gewinn die Milliarden-Marke knacken, sagte Finanzchefin Melanie Kreis in einer Telefonkonferenz mit Analysten. Der Konzern profitiert in diesem Bereich momentan von einer hohen Nachfrage nach Automatisierung von Prozessen angesichts der komplexer werdenden Lieferketten. Während DHL hier im zweiten Quartal dann auch mehr verdiente als letztes Jahr, ging das Ergebnis in den anderen vier der insgesamt fünf Geschäftsbereiche zurück.

Konzernweit sank der Umsatz in den drei Monaten bis Ende Juni um gut 16 Prozent auf rund 20 Milliarden Euro. Der Konzern erzielte im Tagesgeschäft einen operativen Gewinn von 1,7 Milliarden Euro und damit über ein Viertel weniger als ein Jahr zuvor. Da hatte DHL allerdings das beste zweite Quartal seiner Geschichte erlebt. Der Überschuss sackte diesmal sogar um fast ein Drittel auf 978 Millionen Euro ab.

Vor allem das Geschäft im deutschen Heimatmarkt sowie das Speditionsgeschäft entwickelten sich nun schwächer: Der operative Gewinn brach jeweils um fast die Hälfte ein. Im hochmargigen Geschäft mit zeitkritischen Sendungen gab es mit minus 18 Prozent noch die im Vergleich geringsten Ergebniseinbußen. In der Paketzustellung außerhalb Deutschlands ging der Gewinn im Tagesgeschäft um 28 Prozent zurück.

Auf Investitionen will Finanzchefin Kreis trotz des Ergebnisrückgangs aber nicht verzichten. Die Kosten habe sie "im aktuell anspruchsvollen Umfeld" im Blick. Dank gestärkter Ertragskraft sei DHL in der Lage, weiter in künftiges Wachstum zu investieren. Von Quersubventionen zwischen den Segmenten hält sie aber nichts: "Mittelfristig muss jedes Familienmitglied seinen eigenen Beitrag leisten", sagte die Managerin. Sie erwarte zwar nicht, dass das Brief- und Paketgeschäft in Deutschland etwas zur Dividende beitrage, aber die eigenen Investitionen müsse der Geschäftsbereich schon selbst finanzieren.

An dem mittelfristigen Finanzziel des Konzerns hält Kreis fest. Bis 2025 will der Konzern wieder mehr als acht Milliarden Euro operativen Gewinn einfahren und damit an sein Rekordjahr 2022 anknüpfen, als er 8,4 Milliarden erzielt hatte. Für das laufende Jahr knüpft das DHL-Management um den im Frühjahr angetretenen neuen Chef Tobias Meyer seine Prognose dabei weiter an drei Szenarien - je nachdem, ob und wie schnell sich die Konjunktur erholt.

Demnach will der Vorstand das obere Ende der operativen Gewinnspanne von nun mindestens 6,2 bis 7 Milliarden Euro erreichen, falls sich die Weltwirtschaft im zweiten Halbjahr im Vergleich zu den ersten sechs Monaten "dynamisch über alle Märkte" erholt. Sollte die Erholung verhalten ausfallen, liegt die Erwartung in der Mitte der Spanne. Tritt der ungünstige Fall ein und eine nennenswerte Erholung der Weltwirtschaft bleibt aus, prognostiziert der Vorstand, das untere Ende der Spanne zu erreichen. Analysten hatten vor den Zahlen für das Gesamtjahr 6,73 Milliarden Euro auf dem Zettel.

Das dritte Quartal sei bislang eine Fortsetzung der Vormonate, sagte Kreis. Allerdings sehe sie die eigentlich saisonal typischerweise höheren Mengen in der Seefracht nicht, und der August sei zudem wenig aussagekräftig. Es sei deshalb entscheidend, wie sich vor allem die Luftfracht im September entwickle. Weiterhin werden nach Kreis' Einschätzung höhere Treibstoffpreise im lukrativen Express-Geschäft für Gegenwind sorgen, da DHL sie nur verzögert an die Kunden weitergeben kann./lew/stw/jha/