Frankfurt (Reuters) - Die EU-Kommission wird nach Befürchtung der deutschen Autoindustrie mit den anvisierten Strafzöllen auf E-Autoimporte aus China das Gegenteil dessen erreichen, was sie beabsichtigt.

"Die Anti-Subventionszölle würden Elektrofahrzeuge auf dem europäischen Markt verteuern oder dafür sorgen, dass sie gar nicht erst auf den Markt kommen", warnte der Verband der Automobilindustrie (VDA) in einem Positionspapier am Mittwoch. Zum einen verteuere der vorgeschlagene Zusatzzoll von bis zu 38 Prozent die aus China importierten Autos, von denen ein großer Teil von europäischen Herstellern stammt. Zum anderen ist mit Vergeltungsmaßnahmen der Regierung in Peking zu rechnen, die für E-Autos notwendige Rohstoffe und Batterien aus China verteuern.

Die EU-Kommission hatte die Mitte Juni vorgeschlagenen Zölle mit unfairen Subventionen Chinas begründet. Diese bedrohten die europäische Autoindustrie und bremsten deren für den Klimaschutz notwendige Umstellung auf Elektroautos aus. Die geplanten Zölle erschwerten den Hochlauf der Elektromobilität und somit das Erreichen der Pariser CO2-Klimaziele, erklärte der VDA. Die schadeten den europäischen Verbrauchern und Unternehmen. "Das erklärte Ziel, faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten und die heimische Industrie vor unfairen Praktiken zu schützen, wird damit nicht erreicht werden."

ÖKONOMEN HALTEN ZOLL FÜR GERECHTFERTIGT

Nach einer Umfrage des Ifo-Instituts ist aber nur ein Drittel der 162 befragten deutschen Volkswirte gegen Ausgleichszölle. Die Hälfte der Professorinnen und Professoren hält den EU-Vorschlag für passend oder sprach sich für niedrigere wie höhere Sätze aus. Fast drei von vier Ökonomen sehen das Risiko, dass China die wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von dem Land ausnutzen wird, um außenpolitische Ziele durchzusetzen. Für ein De-Risking - also die Suche nach alternativen Märkten, aber keine Entkoppelung von China - sprachen sich 69 Prozent der Befragten aus.

Der VDA lieferte Zahlen zur Abhängigkeit der deutschen Autoindustrie von ihrem größten Absatz- und Exportmarkt China: Aus Deutschland wurden 2023 Pkw im Wert von 15,1 Milliarden Euro nach China exportiert - die Importe hatten einen Wert von vier Milliarden Euro. Die Autozulieferer exportierten Teile im Wert von 11,2 Milliarden Euro nach China, vier Mal soviel wie aus China eingeführt wurde. Die von China angedrohte Erhöhung von Einfuhrzöllen auf deutsche Oberklassewagen mit mehr als 2,5 Litern Hubraum würde die deutschen Autobauer empfindlich treffen. Rund 120.000 der aus Europa nach China ausgeführten Autos gehörten zu diesem Segment.

Der VDA verwies auf eine Studie von S&P, nach der "mittel- bis langfristig keine übermäßige Marktdurchdringung chinesischer batterieelektrischer Fahrzeuge zu erwarten ist". Der Marktanteil werde bis 2030 am europäischen Automarkt auf fünf bis zehn Prozent klettern. Die Unternehmensberatung Alixpartners prognostizierte dagegen, dass chinesische Automarken bis 2030 ein Drittel des Weltmarktes erobern. Dank eines Kostenvorteils von rund 35 Prozent, aggressiver Preisgestaltung und schneller Entwicklung steige der Druck auf die deutsche Autoindustrie enorm. Höhere EU-Zölle könnten nur vorübergehend den Gewinn von Marktanteilen verlangsamen, erklärte Alix-Autoexperte Fabian Piontek. Denn dies beschleunige nur die lokale Fertigung chinesischer Anbieter in Europa. "Das traditionelle Betriebsmodell der Automobilindustrie in Deutschland muss sich ändern, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen", forderte Piontek.

(Bericht von Ilona Wissenbach, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)