Einhellig begrüßten die großen Wirtschaftsverbände am Sonntag das klare Votum der SPD-Mitglieder für den Eintritt in eine neue schwarz-rote Regierung. "Wir sind sehr erleichtert, endlich bald wieder eine stabile, voll handlungsfähige Regierung zu haben, insbesondere angesichts des Säbelrasselns in Washington und Moskau", sagte etwa der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann. In die Erleichterung mischte sich aber unverhohlene Kritik an Mängeln, die große Teile der Wirtschaft im Koalitionsvertrag von Union und SPD sehen.

"Endlich haben wir Gewissheit, dass noch vor Ostern eine neue entscheidungs- und handlungsfähige Regierung das Ruder übernimmt", sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. DIHK-Präsident Eric Schweitzer merkte an, für die deutschen Unternehmen sei gut, dass die Regierungsbildung nun rasch zum Abschluss kommen sollte. Mittelstandspräsident Mario Ohoven ergänzte, Ungewissheit über die Regierungsbildung schade nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Demokratie.

NEUE KOALITION SIEHT SICH VIELFÄLTIGER KRITIK AUSGESETZT

Allerdings wird die neue große Koalition in der Unternehmenswelt mit wenig Euphorie gesehen. "Ein neues Bündnis von Union und SPD, das war und ist nicht die Wunschkoalition des deutschen Mittelstands", sagte etwa Ohoven. DIHK-Präsident Schweitzer beklagte: "Der Koalitionsvertrag bürdet vielen Betrieben allerdings unnötige Lasten auf." Auch das Handwerk sieht große Defizite in der Vereinbarung.

Reinhold von Eben-Worlee vom Verband "Die Familienunternehmer" kritisierte: "Der Koalitionsvertrag stellt sich bereits jetzt als Schönwetterpapier heraus, der keine Antworten parat hat für einen Handelskrieg mit den USA, für Hacker-Angriffe aus Russland oder für den Steuerwettbewerb mit Frankreich und Österreich." Der High-Tech-Verband Bitkom drängte, die von der Koalition angepeilten Digital-Vorhaben müssten nun rasch umgesetzt werden. Vom Maschinenbauverband VDMA kam der Ruf: "Aufwachsen GroKo - die Zeit läuft davon". Es gebe viel zu tun, etwa bei den Steuern und bei der digitalen Erneuerung.

Die Gewerkschaft IG BCE fordert von einer neuen großen Koalition nicht weniger als einen Neustart der Energiewende. Der Ausbau und die Modernisierung von Stromnetzen und -speichern müsse künftig klaren Vorrang bekommen, das "Förderregime mit der Gießkanne" bei den Erneuerbaren Energien müsse ein Ende haben, sagte Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis in Haltern am See. Für die IG BCE stehe außerfrage, dass Deutschland noch über Jahrzehnte auf konventionelle Energieträger angewiesen sein werde - vor allem nach dem endgültigen Atomausstieg.