Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der ehemalige Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich zu seinem offiziellen Abschied kritisch über den Zustand von Währungsunion und Europäischer Zentralbank (EZB) geäußert. In der Feierstunde zu seiner Verabschiedung sagte Weidmann, die Geldpolitik habe in den Krisen der vergangenen Jahre eine bedeutende, stabilisierende Rolle gespielt. Er fügte hinzu: "Sie ist dabei aber nie ganz aus dem Krisenmodus herausgekommen. Und der permanente Ausnahmezustand hat Spuren hinterlassen. Das Koordinatensystem hat sich verschoben."

Weidmann führte diesen Punkt nicht weiter aus, machte aber an anderer Stelle klar, wo er Fehlentwicklungen sieht: "Von vielen wird eine politische und fiskalische Union als Ziel gesehen und für die gemeinsame Währung wäre dies sicherlich ein konsistenter Rahmen", sagte Weidmann. Aber in den Verträgen verankert sei eben ein dezentraler Rahmen, mit politisch, fiskalisch und wirtschaftlich weitgehend eigenverantwortlichen Mitgliedstaaten. Und es sei eine No-Bail-Out-Klausel genauso wie das Verbot der Staatsfinanzierung durch die Notenbank festgeschrieben worden.

"Eine grundlegende Vertragsänderung stand nie wirklich zur Debatte. Auch deshalb musste es aus meiner Sicht darum gehen, den bestehenden Ordnungsrahmen zu respektieren und ihn krisenfester zu machen", sagte Weidmann. Es werde eine wichtige Zukunftsaufgabe bleiben, die Balance zwischen Handeln und Haften in diesem Rahmen sicherzustellen.

Das ehemalige Mitglied des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) erinnerte an Auseinandersetzungen mit dem damaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi. "Mario Draghi hatte keine leichte Amtszeit, und er hat es sich mit seinen Positionen nicht leichtgemacht. Aus vielen Gesprächen kann ich das bezeugen", sagte Weidmann.

Weidmann ist nach zehn Jahren an der Spitze der Bundesbank vor dem Ende seiner Amtszeit zurückgetreten. Nachfolger ist Joachim Nagel.

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January 11, 2022 05:40 ET (10:40 GMT)