Almaty/Moskau (Reuters) - In die seit Tagen anhaltenden Unruhen in Kasachstan greift nun das von Russland geführte Militärbündnis OVKS ein.

Russland habe im Rahmen eines internationalen Einsatzes Fallschirmspringer entsandt, teilte die Allianz am Donnerstag mit. Kasachstan gehört dem Bündnis an und hatte um Hilfe gebeten. Die Regierung in Moskau machte ausländische Kräfte für die Unruhen bei dem südlichen Nachbarn verantwortlich. Die Europäische Union rief zur Zurückhaltung auf und erklärte, die Souveränität Kasachstans müsse gewahrt bleiben. In dessen Wirtschaftsmetropole Almaty kam es den dritten Tag in Folge zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Sicherheitskräften. Dutzende Demonstranten und mehrere Polizisten wurden getötet.

Die Proteste hatten sich an der von der Regierung zum Jahreswechsel verhängten Erhöhung von Treibstoff-Preisen entzündet. Der Rücktritt der Regierung und die Rücknahme der Preiserhöhung für Autogas durch Präsident Kassym-Jomart Tokajew haben die Menschen jedoch nicht beruhigt. Viele werfen den Behörden und der Elite des ölreichen zentralasiatischen Landes Bereicherung vor, während die allermeisten der 19 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner arm bleiben.

RUSSLAND WIRFT AUSLAND VERSUCH DER DESTABILISIERUNG VOR

Das russische Außenministerium erklärte, es handele sich um einen aus dem Ausland gesteuerten Versuch, die Sicherheit und Integrität Kasachstans gewaltsam zu unterwandern. Russland und seine Partner würden mit dem Nachbarland die weiteren Schritte beraten.

"Die Gewalt muss ein Ende haben", forderte die EU-Kommission in Brüssel. Alle Seiten seien aufgefordert, sich zurückzuhalten und eine friedliche Lösung zu suchen. Die EU sei willens, einen Dialog in dem Land zu unterstützen.

Die OVKS erklärte, Hauptaufgabe ihrer entsandten Soldaten sei es, wichtige staatliche und militärische Einrichtungen zu schützen und die kasachischen Ordnungskräfte zu unterstützen. Dem Bündnis gehören neben Russland und Kasachstan auch Belarus, Armenien, Kirgisistan und Tadschikistan an. Alle Länder beteiligten sich an dem Einsatz, teilte die OVKS mit. Wie viele Soldaten es sind, ließ sie offen. Präsident Tokajew hatte um Hilfe gebeten und im Ausland ausgebildete Terroristen für die gewaltsamen Proteste verantwortlich gemacht.

Am Mittwochmittag hatte Russland noch erklärt, niemand dürfe sich in die inneren Angelegenheiten Kasachstans einmischen und Kasachstan habe Moskau auch nicht um Hilfe gebeten. Russland reagiert sehr sensibel auf Unruhen und politische Spannungen in früheren Sowjetrepubliken, die es als seinen Einflussbereich ansieht. Das betrifft etwa die Ukraine, die Proteste in Belarus sowie den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan.

GEPANZERTE FAHRZEUGE UND SOLDATEN IM ZENTRUM ALMATYS

Die Unruhen in Kasachstan sind die schwersten in der früheren Sowjetrepublik seit Jahren. In Almaty hat die Polizei rund 2000 Menschen festgenommen, wie die Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf das Innenministerium meldete. In der Stadt waren in der Nähe des zentralen Platzes, wo sich Demonstranten versammelt hatten, eine Explosion und Schüsse zu hören. Reuters-Reporter berichteten, dass sich Militärfahrzeuge auf den Platz zu bewegten. Die Agentur Tass meldete, Soldaten feuerten auf Demonstrierende und Autos auf dem Hauptplatz.

Tass berichtete zudem unter Berufung auf das kasachische Gesundheitsministerium, mehr als 1000 Menschen seien während der Proteste verletzt worden. Über 400 von ihnen müssten in Kliniken behandelt werden. Die Polizei teilte mit, sie habe Dutzende Unruhestifter getötet. Das staatliche Fernsehen berichtete, 13 Angehörige der Sicherheitskräfte seien ums Leben gekommen, es seien zwei enthauptete Leichen entdeckt worden.

Reuters-Reporter berichteten, in Almaty seien eine Residenz des Präsidenten und ein Büro des Bürgermeisters in Brand gesteckt worden. In den Straßen standen zahlreiche ausgebrannte Autos. Bis zum Donnerstagnachmittag war der Flughafen, den eine aufgebrachte Menge am Mittwoch zeitweise besetzt hatte, wieder unter Kontrolle des Militärs. Die Lufthansa strich Flüge nach Almaty.

Die Proteste hatten sich an der von der Regierung zum Jahreswechsel verhängten Erhöhung der Preise für Autogas entzündet. Am Sonntag gab es die ersten Kundgebungen in der im Westen gelegenen Öl-Region Mangistau. Von dort griffen sie auf weitere Städte über, darunter auf Almaty im Südosten. In der Wirtschaftsmetropole gab es bereits am Dienstagabend Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Demonstrierenden. Am Mittwoch wurden einige öffentliche Gebäude in Brand gesteckt. Über Almaty, Mangistau und die Hauptstadt Nur-Sultan wurde der Ausnahmezustand verhängt.