Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Obwohl der Bund sich zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung bekannt habe, hinkten Behörden auf allen Ebenen hinterher, kritisiert der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW). In einem Positionspapier führte der Verband Maßnahmen auf, mit denen die öffentliche Beschaffung nachhaltig werden könnte. Mit einem Einkaufs- und Vergabevolumen von etwa 500 Milliarden Euro pro Jahr hätten die Beschaffungsstellen von Bund, Ländern und Kommunen "eine zentrale Marktmacht und einen erheblichen Einfluss auf die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft".

"Die öffentliche Beschaffung muss als wirksamer Hebel im Kampf gegen die Klimakrise genutzt werden", forderte BNW-Geschäftsführerin Katharina Reuter. "Gerade in den Bereichen Strom, Wärme, Transportfahrzeuge und Nahrungsmittel ist es dringend notwendig, dass dieser Geldfluss sofort in nachhaltige Produkte und Dienstleistungen umgelenkt wird." Deshalb fordere der Verband von der Bundesregierung "ein Sofortprogramm für die Dekarbonisierung der Beschaffung in diesen Bereichen".

Aktuell laufe die öffentliche Beschaffung den Erwartungen hinterher. In vielen Behörden fehle ein klares Bekenntnis der Leitungsebene zu nachhaltiger Beschaffung. Das Vergaberecht sei kompliziert und die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Praxis leider zweitrangig. In den meisten Fällen sei der Angebotspreis das einzige Zuschlagskriterium. Anbieter von nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen würden durch die rein preisorientierte Vergabe benachteiligt.

"Erst wenn positive und negative Umwelteffekte bei der Vergabe eingepreist werden, kann fairer Wettbewerb zwischen den bietenden Unternehmen stattfinden", betonte BNW-Vorständin Antje von Dewitz. Deshalb fordere der BNW, die Spielräume im Vergaberecht dafür zu nutzen, soziale und ökologische Aspekte stärker zu berücksichtigen. Eine Erweiterung der Vergabekriterien könnte den Kreis bietender Unternehmen und so das Angebot vergrößern, wovon wiederum die öffentliche Hand und die gesamten Märkte profitierten.

Der BNW verlangte zudem eine klare und messbare Zielsetzung für die nachhaltige öffentliche Beschaffung und eine bundesweite Kontrolle zur Einhaltung dieser Ziele. Dafür sei eine transparente Datenerfassung und -pflege notwendig. Um die zahllosen kleinen Vergabestellen auf kommunaler Ebene zu entlasten, müsse die Vergabekompetenz zentralisiert werden. Der BNW schlug dafür Kompetenzcluster auf der mittleren Verwaltungsebene der Länder vor, die für die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen von Ländern, Landkreisen und Kommunen zuständig sein sollten und durch die Nachfragebündelung von Einkaufsvorteilen profitieren könnten.

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January 19, 2023 06:55 ET (11:55 GMT)