--Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigt im ersten Quartal um 0,1 Prozent

--Volkswirte hatten BIP-Stagnation prognostiziert

--Exporte und Bau stützen BIP-Wachstum, Privatkonsum belastet

--Ökonomen erwarten wegen Lockdown BIP-Rückgang für zweites Quartal

(NEU: Zusammenfassung mit Kommentaren von Bankvolkswirten, Hintergrund)

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft ist im vierten Quartal 2020 ungeachtet des neuen Lockdowns nicht geschrumpft - im zweiten Quartal steht allerdings ein BIP-Rückgang ins Haus. Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamts (Destatis) stieg das preisbereinigte BIP gegenüber dem Vorquartal saison- und kalenderbereinigt um 0,1 Prozent und lag um 3,9 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresquartals. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte hatten eine Stagnation auf Quartalssicht und eine Jahresrate von minus 4,0 Prozent prognostiziert.

Gestützt wurde die Aktivität von den Exporten und den Bauinvestitionen, belastet dagegen vom privaten Konsum. Für das gesamte Jahr 2020 bestätigten die Statistiker einen kalenderbereinigten BIP-Rückgang von 5,3 Prozent. Im dritten Quartal war die Wirtschaft nach revidierten Berechnungen auf Quartalssicht um 8,5 Prozent gewachsen, im zweiten Quartal um revidiert 9,7 (vorläufig: 9,8) Prozent geschrumpft nach einem revidierten Minus im ersten Quartal von 2,0 (1,9) Prozent.


   Commerzbank: BIP steigt 2021 um 4,5 Prozent 

Volkswirte erwarten, dass die Wirtschaft im laufenden ersten Quartal schrumpfen wird. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet mit einem Minus von knapp 2 Prozent, bleibt aber bei seiner Wachstumsprognose für 2021 von 4,5 Prozent. "Alles in allem rechnen wir ab Ostern mit den ersten Lockerungen, wobei die Öffnung des Einzelhandels für die Wirtschaft am wichtigsten ist - dann sollte eine kräftige wirtschaftliche Erholung einsetzen", schrieb Krämer in einem Kommentar.

Krämer weist darauf hin, dass bis Ende des ersten Quartals alle Personen mit einem Alter von über 80 Jahren geimpft sein dürften, weshalb die Zahl der Corona-Toten und Patienten auf Intensivstationen deutlich sinken dürfte. "Zwar neigt Kanzlerin Merkel stets zur Vorsicht, aber die Ministerpräsidenten haben das letzte Wort, und bisher haben sie vorhandene Spielräume für ein Rückführen der Beschränkungen stets genutzt", kalkuliert Krämer.


   KfW: Konjunktur zieht im Frühling wieder an 

KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib rechnet nach dem glimpflich verlaufenen vierten Quartal 2020 damit, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2021 um "gut 1 bis 3 Prozent" sinken wird. "Mit der abermaligen Verlängerung des Lockdowns bis mindestens Mitte Februar müssen wir uns nun leider auf einen deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung einstellen", schrieb sie. Ab dem Frühling werde die Konjunktur wegen der dann hoffentlich möglichen Rückkehr des öffentlichen Lebens wieder anziehen.

Das Auftauchen von Varianten des Coronavirus und Verzögerungen bei der Impfkampagne werden die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung der liechtensteinischen VP Bank nicht nur im ersten, sondern auch noch im zweiten Quartal belasten. "Zwar wird es im zweiten Halbjahr Nachholeffekte geben, doch diese sind limitiert", urteilt Chefvolkswirt Thomas Gitzel.

So lasse sich der ausgebliebene Restaurant- oder Frisörbesuch nur bedingt nachholen, und auch die schwer gebeutelte Tourismusindustrie könne die Corona-Scharte nicht mehr schließen. "Die begrenzte Anzahl von Urlaubstagen macht ein vollständiges Aufholen der verloren gegangenen Umsätze nicht möglich", meinte Gitzel.


   Arbeitsmarkt überrascht im Januar erneut positiv 

Hoffnung auf einen glimpflichen Ausgang des zweiten Lockdown macht der deutsche Arbeitsmarkt, der sich im Januar zum wiederholten Mal besser als prognostiziert entwickelte. Die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl sank gegenüber dem Vormonat um 41.000, anstatt, wie erwartet, um 10.000 zu steigen.

Alexander Krüger, der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, sieht allerdings auch Schatten über dem Arbeitsmarkt. "Große Unternehmen planen Stellenkürzungen bereits für 2021, viele Kurzarbeiter, arbeitslose Minijobber und Freiberufler dürften kaum dort weitermachen, wo sie vor Krisenbeginn aufgehört haben", schrieb er. Zur Beurteilung der Konsumaussichten sei der reine Fokus auf die Arbeitslosenquote daher unzureichend.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/sha

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January 29, 2021 05:31 ET (10:31 GMT)