"Heute Abend rufe ich alle von uns auf, Differenzen beiseite zu legen, eine gemeinsame Grundlage zu suchen, und die Einheit zu erreichen, die wir benötigen, um Ergebnisse für die Menschen zu liefern, die uns gewählt haben." Bei mehreren Streitpunkten signalisierte der Republikaner allerdings Härte, vor allem beim Thema Einwanderung. Auch machte er per Anordnung die von seinem Vorgänger Barack Obama veranlasste Schließung des umstrittenen US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba rückgängig. Die Demokraten zeigten sich enttäuscht. Nach einem von "Spalterei, engstirnigen Beleidigungen und schändlicher Rassenhetze" geprägten ersten Amtsjahr klängen Trumps Rufe nach Einheit hohl, sagte der dienstälteste Senator Patrick Leahy. "Worte können und werden den Schaden, den er schon angerichtet hat, nicht reparieren."

Trump reklamierte in seiner von Pathos getragenen Rede vor dem Kongress am Dienstag einmal mehr die Rekordstände an den US-Börsen und die niedrige Arbeitslosenquote für sich. Die Wirtschaft werde der dank der beschlossenen Steuerkürzungen wachsen. "Dies ist unser neuer amerikanischer Augenblick. Nie gab es eine bessere Zeit damit anzufangen, den amerikanischen Traum zu leben." Er forderte die Einrichtung eines Infrastruktur-Fonds zum Bau von Straßen und Brücken, der mindestens 1,5 Billionen Dollar an staatlichen Geldern und von Privatinvestoren aufbringen soll. Gesetzliche Vorschriften müssten gelockert werden, da sie Bauvorhaben verzögerten.

BUH-RUFE FÜR TRUMP BEIM THEMA EINWANDERUNG

Trump bekräftigte seinen Plan zur Einwanderungspolitik. Er sei bereit, etwa 1,8 Millionen jungen Migranten, die als Kinder illegal in die USA kamen, innerhalb von zehn bis zwölf Jahren einen Weg zur Staatsbürgerschaft zu eröffnen. Im Gegenzug beharrte er weiter auf den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko - ein Vorhaben, das Demokraten, Bürgerrechtler und die Regierung in Mexiko-Stadt ablehnen. Trump sprach von einem Kompromiss, bei dem man sich in der Mitte treffe. "Lasst uns zusammenkommen, die Politik beiseiteschieben, und den Job endlich erledigen." Er betonte zugleich, den Nachzug von Einwanderer-Familienmitgliedern einschränken zu wollen. Er benutzte dabei den Begriff "Ketten-Migration", wofür er Buh-Rufe aus dem Lager der Demokraten erntete.

Über weite Strecken verfolgten die Demokraten die Rede demonstrativ still. Viele waren ganz in schwarz gekleidet erschienen aus Solidarität mit der "Metoo"-Bewegung, um ein Zeichen gegen sexuelle Gewalt zu setzen.

Während die Opposition Ablehnung signalisierte, ergab eine Blitzumfrage des Senders CNN, dass 48 Prozent der Befragten die Rede als "sehr positiv" und 22 Prozent als "einigermaßen positiv" empfanden. Die Börsen reagierten kaum. Trump habe wenig Neues präsentiert, sagten Analysten. Andererseits habe er auch keine "negative Rede" gehalten. "Er war ruhig. Er feierte Amerika. Er vermied seine eigenen Misserfolge", sagte Anlagestratege Tim Ghriskey von Cresset Wealth Advisors.

DIE KONGRESSWAHL IM BLICK

Die Republikaner applaudierten während der Rede mehrfach. Trump bekam von ihnen etwa 70 standing ovations. Zustimmung gab es vor allem für die Einwanderungsvorschläge. "Meine demokratischen Kollegen können sagen, er habe sich nicht genug bewegt. Aber man kann nicht leugnen, dass er sich viel bewegt hat", sagte etwa Senator James Lankford. Er fügte aber hinzu: "Es gibt in seiner Kernbasis Leute, die finden, dass er sich viel zu viel bewegt hat." Trump muss vermeiden, vor der Kongresswahl im November Wähler am rechten Rand mit zu großen Zugeständnissen bei der Einwanderung zu verprellen. Andererseits ist er im Kongress auf die Unterstützung zumindest einiger Demokraten angewiesen, um wichtige Vorhaben durchzubringen.

Trump hob während seiner Rede einen zwölfjährigen Jungen hervor, weil dieser sich dafür einsetze, die Gräber von 40.000 Veteranen mit amerikanischen Fahnen zu schmücken. Die Initiative stehe dafür, "warum wir für die Nationalhymne stolz aufstehen". Kritiker sahen darin einen weiteren Seitenhieb auf Profi-Football-Spieler, die Trump scharf angegriffen hatte, weil sie aus Protest gegen Polizeigewalt gegen Afroamerikaner sich bei der Nationalhymne hinknieten.

Auf die laufende Untersuchung über eine mutmaßliche Zusammenarbeit zwischen Russland und Mitarbeitern Trumps während des US-Präsidentschaftswahlkampfes ging der 71-Jährige nicht ein. Trump und Russland haben die Vorwürfe zurückgewiesen.

Auf die Außenpolitik kam Trump erst spät zu sprechen. Der Führung Nordkoreas warf er ein rücksichtsloses Streben nach Atomraketen vor, was für die USA schon sehr bald eine Bedrohung werden könne. Nur maximaler Druck auf das Land könne dies verhindern. "Wir müssen nur auf den verdorbenen Charakter der Führung Nordkoreas blicken, um die Natur der atomare Bedrohung für die USA und ihre Verbündeten zu verstehen." Bei der Bekämpfung von Islamisten prangerte Trump Fehler an. In der Vergangenheit seien Hunderte "gefährliche Terroristen törichterweise entlassen worden, nur um sie auf dem Schlachtfeld wieder zu treffen".