Hannover/Berlin (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz will deutlich mehr Geld für Forschung und Innovation in Deutschland aktivieren.

Dazu will Scholz zum einen Anlageregeln etwa für das Geld der Rentenversicherung lockern, reiche Leute zu mehr Investitionen ermuntern und die steuerliche Forschungsförderung weiter ausbauen. "Wenn im Prinzip die einzige Kapitalanlage, die wir gestatten, wenn jemand Rentengelder sammelt, deutsche Staatsanleihen sind, ... dann ist das mit der Wachstumsfinanzierung für den deutschen Kapitalismus nicht so doll", sagte Scholz am Montag auf einem Forschungsgipfel in Hannover. Deshalb müsse Geld "etwas umfassender und etwas riskanter" eingesetzt werden dürfen als bisher.

Scholz kritisierte, dass es in der EU immer noch nicht gelungen sei, die Kapitalmarktunion zu vollenden und Unternehmen, auch StartUps, deshalb schlechtere Finanzierungsmöglichkeiten hätten als in den USA. Er wolle dies zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ändern, sagte er in Anspielung auf den EU-Gipfel vergangenen Woche. Scholz kritisierte, dass "die vielen reichen Leute in Deutschland ihr Geld nicht in die Wachstumsfinanzierung stecken". Das müsse sich ändern.

Scholz kritisierte, dass sich Deutschland mit zu starren Regeln selbst lähme. "Jedes Mal, wenn wir sagen: Ihr dürft das und das und das nicht machen bei der Anlagestrategie, weil das Risiken mit sich bringt, entscheiden wir auch, dass es keine Wachstumsfinanzierung gibt", bemängelte er. Ein höherer Anteil von Rentengeldern etwa in Aktien ist allerdings auch in der SPD und bei den Grünen umstritten. "Die Konsequenz ist übrigens auch sehr teuer. Dann müssen wir Kapitalismus simulieren", warnte der Kanzler. Der Bund, jedes Bundesland und einige größere Gemeinden hätten deshalb Innovationsfonds gegründet, um Projekte mitzufinanzieren.

Der Kanzler schlägt zudem vor, die steuerliche Forschungsförderung weiter auszuweiten. Die Ampel-Regierung habe die steuerliche Forschungszulage deutlich ausgeweitet, sagte Scholz. "Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir hier noch weitergehen, so wie wir das ursprünglich ja auch vor hatten", sagte er mit Blick auf das beschlossene Wachstumschancengesetz. "Dafür müssen Länder und die geschätzte Opposition mitziehen und darum werbe ich auch hier", fügte der SPD-Politiker hinzu. Im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern war das Wachstumschancengesetz deutlich eingedampft worden, weil Länder und Kommunen auf weniger Steuereinnahmen verzichten wollten als vom Bund geplant.

Wie auf dem EU-Gipfel vergangene Woche kritisierte der Kanzler, dass die EU es bisher nicht geschafft habe, einen einheitlichen Finanzmarkt zu schaffen. Deshalb hätten Unternehmen schlechtere Finanzierungsmöglichkeiten als etwa in den USA. Es "ärgere" ihn, wenn er entsprechende Klagen von jungen deutschen Unternehmen beim Wagniskapital höre, etwa auf Zukunftsfeldern wie der Laserfusion. Deshalb dränge er zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf die Vollendung der Kapitalmarkt- und Bankenunion in der EU.

Ebenso wichtig für die Forschung der Bürokratieabbau sowie die Nutzung von Big Data. "Ohne gute Daten ist Forschung heute kaum noch möglich", sagte er und nannte das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, das die Pharmaforschung erleichtern soll. Zudem verwies Scholz darauf, dass in den USA sehr viele Spitzenwissenschaftler aus anderen Ländern kämen. "Ich finde, Deutschland kann und muss sich daran ein Beispiel nehmen", fügte er hinzu.

Der Kanzler verwies darauf, dass in Deutschland 2022 mehr als 120 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben worden seien, mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Es sei ein gutes Signal, dass 2023 zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder mehr Patente aus Deutschland angemeldet worden seien.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)