"Wir haben entschieden, noch einen Versuch in Baden-Württemberg zu unternehmen, die entscheidenden Fragen zu Arbeitszeit und Entgelt am Verhandlungstisch zu klären", sagte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann nach der Vorstandssitzung am Freitag in Frankfurt. Ab 18.00 Uhr soll in Stuttgart bis Samstagmittag die fünfte Verhandlungsrunde laufen. Die Positionen lägen noch weit auseinander. "Der Ausgang ist daher mehr als unsicher", ergänzte er. Gelinge dieses Mal kein Abschluss, sei die Gewerkschaft auf eine Ausweitung der Tarifauseinandersetzung vorbereitet: Dann stünden bundesweit 24-Stunden-Streiks oder auch schon Urabstimmungen in einzelnen Regionen für längere Ausstände an.

Die IG Metall fordert für die knapp 3,9 Millionen Beschäftigten der größten deutschen Industriebranche sechs Prozent mehr Lohn und ein individuelles Recht auf eine 28-Stunden-Woche. Die Arbeitgeber boten bisher zwei Prozent mehr Entgelt ab April und eine Pauschale von 200 Euro für Januar bis März an. Über das Thema Geld wurde in vier Verhandlungsrunden aber noch gar nicht gesprochen, denn die Tarifparteien arbeiteten sich bisher ausschließlich an komplexen neuen Arbeitszeitregeln ab. Hauptstreitpunkt sind Entgeltzuschüsse, die die Gewerkschaft für Beschäftigte verlangt, die wegen Pflege oder Kinderbetreuung kürzer treten wollen. Eine Expertengruppe beider Seiten auf Arbeitsebene hatte schon mehrere Lösungsansätze erarbeitet. Doch die Arbeitgeber seien unter der Verhandlungsführung von Südwestmetall-Chef Stefan Wolf wieder in einen Grundsatzstreit zurückgefallen, beschwerte sich IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger. Wolf wiederum kritisierte nach dem Abbruch der vierten Gesprächsrunde am späten Mittwochabend, die Gewerkschaft habe neue, unakzeptable Bedingungen gestellt und auf Maximalforderungen beharrt.

GANZTAGESSTREIKS WÄREN "SCHMERZHAFT"

Sollten Zitzelsberger und Wolf den Knoten in einer Marathonsitzung bis Samstag nicht durchschlagen, könnte der Konflikt weiter eskalieren. In den vergangenen beiden Wochen hatten bundesweit schon mehr als 900.000 Beschäftigte nach Gewerkschaftsangaben an Warnstreiks teilgenommen. Bei Autokonzernen und ihren Zulieferern, Maschinen- und Anlagenbauern unterbrachen sie für wenige Stunden die Arbeit und zogen mit Fahnen und Trillerpfeifen vor Werkstore und auf Marktplätze. Bei BMW in München rollten Sprechern zufolge dadurch rund 250 Autos weniger vom Band, bei Audi in Ingolstadt rund 700 Fahrzeuge. Das könne noch nachgeholt werden, so dass die Kunden davon nichts spürten, erklärten die Unternehmen. "Wir gehen davon aus, alle bestellten Fahrzeuge an unsere Kunden ausliefern zu können", hieß es auch bei Daimler. Mehrere Mercedes-Werke waren von den Warnstreiks betroffen.

Aber 24-Stunden-Streiks, welche die IG Metall vor zwei Jahren als neue Taktik im Arbeitskampf beschlossen und erstmals als Druckmittel einsetzen könnte, hätten gravierendere Folgen. Viele Betriebe seien bis zum Anschlag ausgelastet und könnten einen Tag Ausfall in diesem Jahr nicht mehr aufholen, hieß es bei den Arbeitgebern. "24-Stunden-Streiks wären schon schmerzlich", sagte ein BMW-Sprecher. Damit könnten Tausende Fahrzeuge weniger gebaut werden. Durch die enge Vernetzung der Produktion könne ein Hersteller allein schon durch einen Streik bei einem Zulieferer betroffen sein.