FRANKFURT/M./BERLIN (dpa-AFX) - Nach langem Abwärtstrend ist die Zahl lebensrettender Organspenden in Deutschland erstmals wieder deutlich gestiegen. Im vergangenen Jahr überließen 955 Menschen nach ihrem Tod Organe für andere schwerkranke Patienten, wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) am Freitag in Frankfurt mitteilte. Das war ein Plus von knapp 20 Prozent im Vergleich zu 2017 mit 797 Spendern und der erste größere Anstieg seit 2010. Mediziner und Politiker sprachen von einem Hoffnungsschimmer - im Bundestag stehen aber bald noch weitere Entscheidungen an, um zu mehr Organspenden zu kommen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die steigenden Zahlen sind gut, aber nicht gut genug." Noch immer warteten 10 000 Menschen auf ein Spenderorgan. Informationskampagnen zeigten nun Wirkung, erläuterte er. Aber auch die stärkere öffentliche Debatte über neue Organspende-Regeln sorge dafür, dass sich mehr Menschen Gedanken über dieses Thema machten.

Die wieder positivere Entwicklung nach dem Tiefpunkt von 2017 hatte sich in den vergangenen Monaten abgezeichnet. Nun kommen 11,5 Spender auf eine Million Einwohner, nach einem Anteil von 9,7 im Vorjahr. Konkret wurden von den 2018 registrierten 955 Spendern 3113 Organe für Transplantationen vermittelt - darunter 1607 Nieren, 295 Herzen, 779 Lebern, 338 Lungen, 91 Bauchspeicheldrüsen und drei Dünndärme. Jeder Spender habe im Durchschnitt drei schwerkranken Patienten eine neue Lebenschance geschenkt, erläuterte die DSO. In deutschen Kliniken wurden 3264 Organe transplantiert (2017: 2765).

Damit zeige sich ein erster Hoffnungsschimmer für die Patienten auf den Wartelisten, erläuterte die DSO als Koordinierungsstelle. Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in diesem Jahr noch viel zu tun gebe. "Der Bundestag wird in den nächsten Monaten gleich über mehrere Gesetze beraten, die die Bedingungen für noch mehr Organspenden setzen sollen", sagte Spahn. Da sind zum einen bessere Bedingungen in den Kliniken. Am kommenden Donnerstag bringt der Minister dazu einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein. Kernpunkte sind höhere Vergütungen durch die Krankenkassen und mehr Freiraum für Transplantationsbeauftragte in den Kliniken.

Unabhängig davon ist im Parlament über Fraktionsgrenzen hinweg eine Diskussion über neue Organspende-Regeln angelaufen. Bisher sind Entnahmen nur bei ausdrücklich erklärter Zustimmung erlaubt, viele schieben die Beschäftigung mit diesem Thema aber immer wieder auf.

Spahn wirbt daher für eine "doppelte Widerspruchslösung". Demnach gilt automatisch jeder als Spender. Man soll dazu aber noch Nein sagen können, sonst wären - als doppelte Schranke - Angehörige zu fragen. In einer offenen Debatte waren im Bundestag Ende November breite Vorbehalte gegen eine solche Neuregelung deutlich geworden.

Eine Gruppe um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock und Linke-Chefin Katja Kipping schlägt stattdessen eine verbindlich wiederkehrende Abfrage etwa beim Abholen neuer Pässe oder Personalausweise vor - auch mit der Option, sich noch nicht zu entscheiden. Baerbock sagte der dpa, der erfreuliche aktuelle Anstieg sei ein Hoffnungsschimmer. Bei der Debatte um eine Neuregelung komme es nun darauf an, einen Weg zu finden, der mehr schwerkranken Menschen mittels Organspende helfe, andererseits aber die höchstpersönliche Entscheidung jedes Einzelnen berücksichtige.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach von einem "Lichtblick", der aber kein Erfolg der teuren Werbekampagnen der vergangenen Jahre sei. "Der Schlüssel zu mehr Organspenden ist eine gute Organisation in den Krankenhäusern", sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa./sam/tm/DP/jha