Berlin (Reuters) - Die deutsche Inflation sinkt zu Jahresbeginn nicht so stark wie erwartet und befeuert so die Debatte über den lockeren Kurs der EZB.

Die Preise für Waren und Dienstleistungen lagen im Januar noch 4,9 Prozent über dem Niveau vor Jahresfrist, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Im Dezember hatte die von teurer Energie getriebene Inflationsrate zwar noch einen Wert von 5,3 Prozent erklommen - das höchste Niveau seit 1992. Doch auch wenn es nun bergab ging, blieb der Rückgang hinter den Erwartungen der Volkswirte zurück, die mit einem Wert von 4,3 Prozent gerechnet hatten. Ob der Inflationsgipfel überschritten ist, bleibt unklar - auch weil die Energiepreise weiter anzogen.

Vor dem am Donnerstag anstehenden Zinssitzung der EZB werden die frischen Zahlen aus der größten Volkswirtschaft des Euroraums für reichlich Gesprächsstoff sorgen. "EZB-Chefin Christine Lagarde dürfte heute ein Stein vom Herzen fallen. Der Rückgang der Inflationsraten wird innerhalb der EZB flehentlich herbeigesehnt", sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Anders als die auf eine baldige Zinswende zusteuernde US-Notenbank Fed bleibe die Europäische Zentralbank (EZB) bei ihrer These eines nur temporären Teuerungsanstiegs, die einen weiterhin lockeren geldpolitischen Kurs begründen könne.

Doch die Teuerungsrate ist auch im Euroraum zu Jahresbeginn wohl nicht sehr stark gesunken: Experten erwarten für die am Mittwoch anstehenden Daten einen Wert von 4,4 nach 5,0 Prozent im Dezember. Damit ist das Ziel der EZB von 2,0 Prozent noch sehr weit entfernt. "Eine geldpolitische Wende sollte angesichts der Inflationszahlen für Deutschland und andere Staaten der europäischen Währungsunion nicht länger hinausgezögert werden", forderte Chefökonom Michael Heise von HQ Trust. Auf einen erwünschten baldigen Rückgang der Energiepreise zu setzen, erscheine angesichts der ernsten geopolitischen Spannungen mit Russland "eher Wunschdenken" zu sein.

"DRUCK AUF EZB NIMMT ZU"

Im Jahresverlauf dürfte der Preisdruck zwar allmählich nachlassen, insbesondere wenn sich die Material- und Lieferprobleme entspannen werden, prognostizierte Commerzbank-Ökonom Marco Wagner. "Allerdings dürfte bis in den Herbst und auch beim Jahresdurchschnitt bei der Inflationsrate eine Vier vor dem Komma stehen." Der Druck auf die EZB nehme zu, ihren geldpolitischen Kurs zu ändern, so das Fazit von IfW-Ökonom Nils Jannsen. Die Inflationserwartungen drohten umso stärker zu steigen, je länger die Teuerung auf erhöhtem Niveau verharre: "Im Ergebnis würde sich die hohe Inflation verfestigen."

Für etwas Entspannung an der Preisfront sorgte hierzulande zu Jahresbeginn ein sogenannter Basiseffekt: Denn die Preise wurden jetzt nicht mehr mit jenen aus dem zweiten Halbjahr 2020 verglichen, als die Mehrwertsteuer wegen der Corona-Krise zeitweise von 19 auf 16 Prozent gesenkt wurde. Abgeschwächt wurde der Auftrieb bei den Verbraucherpreisen zu Jahresbeginn bei Nahrungsmitteln: Sie verteuerten sich im Januar um 5,0 Prozent, im Dezember waren es noch 6,0 Prozent.

LINDNER FÜR BALDIGE ENTLASTUNG BEI STROMKOSTEN

Die Energiepreise zogen im Januar allerdings zum Vorjahresmonat um 20,5 Prozent an. Im Dezember waren es lediglich 18,3 Prozent. Neben teurem Gas nagen auch stark steigende Stromkosten an der Kaufkraft der Verbraucher. In Hessen beispielsweise zog der Strompreis im Januar um 18,9 Prozent zum Vorjahr an.

Bundesfinanzminister Christian Lindner will als Reaktion auf die gestiegenen Stromkosten die sogenannte EEG-Umlage so schnell wie möglich abschaffen. "Jetzt konkret muss gehandelt werden", sagte der FDP-Vorsitzende in der ARD. Die Menschen spürten die Inflation, die auf die teure Energie zurückgehe. Die EEG-Umlage ist der Strompreis-Aufschlag für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Diesen will die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP spätestens 2023 streichen. Zuletzt mehrten sich aber Stimmen, es bereits 2022 zu tun.