Santiago (Reuters) - Chiles Präsident Gabriel Boric will die wachsende Lithium-Industrie des Landes verstaatlichen. So solle die Wirtschaft angekurbelt und die Umwelt geschützt werden.

"Das ist eine Gelegenheit für wirtschaftliches Wachstum, die kurzfristig nur schwer zu übertreffen sein wird", sagte Boric in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache. Es sei die beste Chance zum Umstieg auf eine nachhaltige und entwickelte Wirtschaft. Die nationale Lithium-Strategie habe ein Chile zum Ziel, das geschaffenen Reichtum gerechter verteile.

Chile hat die weltweit größten Lithium-Reserven und ist der weltweit zweitgrößte Produzent des Metalls nach Australien. Der Rohstoff wird zur Produktion von Batterien für Elektroautos gebraucht. Der Bedarf steigt rasant mit dem Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft. Derzeit ist der Abbau in den Händen von Industriegrößen wie SQM und Albemarle. Sie haben Verträge etwa mit Tesla, LG Energy oder Mercedes-Benz.

Vor zwei Jahren riefen Volkswagen, Mercedes-Vorgänger Daimler, BASF und anderen Unternehmen ein Projekt für "Verantwortungsvolle Lithium-Partnerschaft" ins Leben. Unter Leitung der Entwicklungsorganisation GIZ sollte nach Wegen gesucht werden, die Umweltrisiken des Lithium-Abbaus in der chilenischen Atacama-Wüste zu mindern. Boric zufolge sollen Anwohner, darunter indigene Gruppen künftig mehr von der Rohstoffausbeute haben.

HÜRDE PARLAMENT

In Zukunft soll nach dem Plan ein staatliches Unternehmen im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften die Kontrolle über die Förderung des Rohstoffs haben. Derzeit laufende Verträge sollen nicht gekündigt werden, neue Lizenzen aber nur noch an Firmen in öffentlicher Führung gehen. Der Vertrag von SQM läuft bis 2030, der von Albemarle bis 2043. Boric hofft, dass die Konzerne offen sind für eine staatliche Beteiligung vor dem Auslauf der Lizenzen. Die Einrichtung eines Staatsunternehmens muss vom chilenischem Parlament genehmigt werden. Der Präsident will dort seine Pläne im zweiten Halbjahr vorlegen. Ein Versuch, die Abbaurechte im vergangenen Jahr zu ändern, traf auf harten Widerstand der Bergbauindustrie und fiel bei den Volksvertretern dann durch. Auch in letzter Zeit biss das Staatsoberhaupt mit einigen Vorstößen auf Granit.

Albemarle erklärte, die Ankündigung habe keine wesentlichen Auswirkungen auf das Geschäft. Die Gespräche über Investitionen in Wachstum und neue Technologien in Chile gingen weiter. SQM reagierte nicht auf die Bitte um eine Stellungnahme.

Im Lithium-Handel stiegen die Preise, denn der Verstaatlichungsplan zerstreute Sorgen über ein zu großes Angebot des Rohstoffes. Sie waren wegen schwächerer E-Autoverkäufe in China aufgekommen. Unter staatlicher Führung sei mit schwierigeren Vertragsbedingungen zum Lithium-Abbau in Chile zu rechnen, sagte Cho Hyunryul, Analyst von Samsung Securities. Im vergangenen Jahr verstaatlichte Mexiko bereits seine Lithium-Vorkommen. Das Land strebt mit den Regierungen Argentiniens, Boliviens und Chiles einen Lithium-Verbund an. Der Schritt könnte Analysten zufolge zu einer Verlagerung von Investitionen in andere Länder wie Australien führen.

(Bericht von Alexander Villegas, Ernest Scheyder, geschrieben von Myria Mildenberger; redigiert von Hans Seidenstücker; Bei Rückfragen wenden Sie sich sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)