"Möglicherweise ist der Zenit der Automobilproduktion damit schon überschritten", sagte Denner bei einem Pressegespräch am Dienstagabend in Stuttgart. Experten spekulieren schon länger, die Autoindustrie habe durch den Umstieg auf Elektroautos und dem schwindendem Wunsch nach privatem Autobesitz die besten Zeiten hinter sich. Denner ist einer der ersten Top-Manager der Branche, der das nicht ausschließt. Die schwächere Autokonjunktur verschärfe den großen strukturellen Veränderungsdruck bei Autobauern und Zulieferern, die wegen den Klimaschutzes mit hohen Investitionen vom Verbrennungsmotor auf alternative Antriebe umsteuern müssen.

Seit Jahren wird in der Industrie diskutiert, wie stark der Trend zum Teilen statt Besitzen von Autos die Verkaufszahlen drücken wird. Die Autobauer halten sich dabei an der Hoffnung fest, durch Car-Sharing und Fahrdienste würden Autos häufiger gefahren und sich dadurch schneller abnutzen, sodass der Bedarf nicht sinken müsste. Auch Denner verwies auf Studien, nach denen der weltweite Personenverkehr bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 2015 wachsen werde. "Trotz der Herausforderungen bringt die Mobilitätswende nicht das Mobilitätsende, nicht einmal das Ende des Autos", sagte Denner.

KEIN WACHSTUM DER AUTOPRODUKTION IN SICHT

Für die nächsten Jahre ist der Stiftungskonzern unterdessen skeptisch: Nach einem Rückgang um mehr als sechs Prozent im vergangenen Jahr werde die globale Autoproduktion 2020 das dritte Jahr in Folge schrumpfen und zwar um gut zweieinhalb Prozent auf rund 89 Millionen Fahrzeuge. Das wären fast zehn Millionen Neuwagen weniger als zum Höchststand vor drei Jahren. Mit Wachstum rechnet Bosch bis 2025 nicht mehr. Die Lage für Autobauer und Zulieferer, von denen viele im vergangenen Jahr Gewinneinbrüche erlitten, bleibe "sehr anspruchsvoll", sagte Denner. Zusätzliche Unsicherheit am ohnehin schon geschwächten Hauptautomarkt China löste zuletzt der Ausbruch der Corona-Virusinfektion aus, an der in China schon mehr als 130 Menschen starben. Bosch beschäftigt in dem Land mehr als 60.000 Leute und hat zwei Werke in Wuhan, wo der Erreger erstmals auftrat. Die bis Anfang Februar in China verlängerten Neujahrsferien für die Firmen sei für die Produktion noch kein Problem, sagte Denner. Doch das könne sich ändern, wenn die Unternehmen noch länger die Pforten schließen müssten.

STELLENABBAU GEHT WEITER

Unter der Last des Absatzeinbruches vor allem in China, weltweit sinkender Dieselnachfrage seit dem Abgasskandal 2015, hohen Investitionen und Kosten für Personalabbau sackte der Gewinn bei Bosch im vergangenen Jahr um fast zweieinhalb Milliarden Euro ab. Nach vorläufigen Zahlen verdiente der Konzern 2019 operativ mit rund drei Milliarden Euro 44 Prozent weniger als im Jahr davor. Bei einem stagnierenden Umsatz von knapp 78 Milliarden Euro schrumpfte die Rendite auf vier von sieben Prozent.

Bosch reagiert darauf zum einen mit Personalabbau in kritischen Geschäftsfeldern wie der Dieseltechnik - und zum anderen mit der Expansion in zukunftsträchtige Produkte wie alternative Antriebssysteme, Elektronik im Auto oder Sensoren für automatisiertes Fahren. Außerhalb der Autozulieferung, die bei Bosch rund 60 Prozent zum Erlös beisteuert, setzt der Konzern mit dem "Internet der Dinge" auf die Digitalisierung von Industrieproduktion, Heiztechnik oder Haushaltswaren. Das Unternehmen steckt Milliarden in Software und beschäftigt bereits 30.000 Entwickler dafür. "Wir sind wie kaum ein anderes Unternehmen auf jedes Szenario gut vorbereitet", betonte Denner.

Eine Umsatzprognose wagte der Bosch-Chef zugleich nicht. Der Stellenabbau werde weitergehen - aber sozialverträglich, kündigte Denner an. Nach vielen Jahren mit wachsender Belegschaft reduzierten die Schwaben 2019 erstmals die Beschäftigung, vor allem in China und Deutschland. Weltweit sank die Zahl der Mitarbeiter um 6800 auf knapp 403.000. In Deutschland gingen 2000 Jobs verloren oder knapp anderthalb Prozent der Beschäftigten, vor allem an Dieselstandorten. Denn während zehn Leute ein Diesel-Einspritzsystem herstellten, genüge einer zum Bau eines Elektromotors, erklärte Denner.

Gewinnschwund, Sparprogramme und Stellenabbau sind in der Autoindustrie jetzt an der Tagesordnung: Bei Daimler brach der operative Konzerngewinn um fast 50 Prozent auf 5,6 Milliarden Euro ein. Mehr als 10.000 Arbeitsplätze sollen bis 2022 wegfallen. Der Bosch-Rivale Continental plant einen tiefgreifenden Umbau, von dem bis Ende 2023 weltweit rund 15.000 Stellen betroffen sein werden, davon etwa 5000 in Deutschland. Drei Werke sollen geschlossen werden. Audi, BMW, Opel und auch viele kleinere Zulieferer setzen ebenfalls beim Personal den Rotstift an. Beschäftigungssicherung wird deshalb das zentrale Thema bei der anstehenden Tarifrunde in der Metallindustrie, kündigten IG Metall und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall an.