Heftiger Gegenwind, Kommentar zur Taxonomie von Andreas Heitker
Frankfurt (ots) - Ganz so einfach, wie es zunächst schien, wird es für die
EU-Kommission womöglich doch nicht werden, ihre Taxonomie-Vorlage zur Energie
durchzubringen. Widerspruch aus Berlin zum delegierten Rechtsakt war absehbar,
aber nun hat auch die Expertengruppe der EU-Kommission für Green Finance die
Einstufung von Atomenergie und Gas als nachhaltige Investitionen mit dem Etikett
"Greenwashing" gebrandmarkt. Auch wenn die Mehrheitsverhältnisse in der EU für
die Kommission sprechen: Der öffentliche Druck steigt, die Kriterien
nachhaltiger Investments für privates Kapital noch einmal zu überdenken.

Die Haltung in den Mitgliedstaaten deutet unverändert auf Zustimmung hin.
Frankreich will - im Konzert mit einer Reihe osteuropäischer­ Staaten - die
CO2-freie­ Atomkraft nutzen, um die schädliche Emission unter Kontrolle zu
bringen. Nur mit einer superqualifizierten Mehrheit von 20 der 27 Staaten könnte
der Rat die Kommission stoppen. Diese zeichnet sich nicht ab.

Die neue Regierung in Berlin hat - nach anfänglichem Zögern - kurz vor dem
Wochenende die Mitternachtsfrist erreicht und ihre Stellungnahme abgegeben. Es
war verlockend für das neue Dreierbündnis, diese Gelegenheit ungenutzt
verstreichen zu lassen. Die Interessenlage bei SPD, Grünen und FDP zu Atomkraft
und Gas ist heterogen. Spannungen hätte die Ampel so elegant vermieden bei einem
wenig erfolgversprechenden Vorgang. Mit ihrer Positionierung beweist sie aber
politische Handlungsfähigkeit - ein wichtiges Signal.

Berlin lehnt Atomkraft unter anderem mit Blick auf Folgekosten, ungeklärte
Endlagerfragen und die Gefahr von Terrorangriffen rundweg als nicht nachhaltig
ab. Gas wird indessen als Übergangstechnologie auf dem Weg zur Klimaneutralität
akzeptiert. Dort liefert die Regierung einen Katalog von Änderungswünschen zu
technischen Kriterien im EU-Vorschlag. Die deutsche Industrie zeigt sich damit
nicht ganz glücklich, weil ihr unter anderem der Weg zu klimaneutralem Einsatz
von Wasserstoff zu wenig berücksichtigt erscheint. Ein intensiverer Dialog von
Wirtschaft und Politik hierzulande könnte helfen.

Offen und wichtig ist, wie das EU-Parlament votiert. Dort ist, anders als im
Rat, ein geringeres Quorum nötig, um der Taxonomie noch eine andere Richtung zu
geben. Die Bundesregierung bedauert in ihrer Stellungnahme, dass es in dieser
wichtigen Frage kein ordentliches Gesetzgebungsverfahren mit öffentlicher
Konsultation gibt. Noch hat sie die Hoffnung nicht aufgegeben, ihrer Stimme zu
mehr Gehör zu verhelfen.

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