Falsches Signal, Kommentar zur Ampel-Koalition von Angela Wefers
Frankfurt (ots) - Mit der Brüsseler Entscheidung zur Atomkraft hat die
Ampel-Koalition in Berlin eine erste Kostprobe zum Umgang mit spannungsgeladenen
Themen bekommen. Die EU-Kommission will Atomkraft und Gas ein
Nachhaltigkeitssiegel für Finanzinvestoren verleihen. Den Grünen in der
deutschen Regierung passt das - wenig überraschend - in puncto Kernkraft
naturgemäß nicht. Mit Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck sowie
Umweltministerin Steffi Lemke taten sie ihre ablehnende Haltung umgehend nach
der Vorlage aus Brüssel kund. Wirklich ändern kann die Bundesregierung an dem
Brüsseler Beschluss aber nichts. Atomkraftkritische Länder sind im
Europäischen
Rat in der Minderheit. Das Nachhaltigkeitssiegel wird kommen, unabhängig davon,
wie sich die Koalition in Berlin positioniert. Das schafft politisch eine
gewisse Erleichterung, denn ein erster Streit in der Koalition würde für ein
wenig aussichtsreiches Vorhaben geführt. Das lohnt sich nicht.

Gleichwohl wird sich Deutschland zu dem Kommissionsvorschlag zumindest
positionieren müssen. Offiziell wird der Plan aus Brüssel nun eingehend
geprüft.
In Berlin wird aber schon kolportiert, dass die Bundesregierung nicht Nein
sagen, sondern nur das mildere Instrument der Enthaltung nutzen werde. Um nicht
in den Ruch der innerkoalitionären Blockade zu kommen, ist die mitgelieferte
Begründung eine europapolitische: Berlin will Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron, der zugleich die EU-Ratspräsidentschaft innehat und vor dem Wahlkampf
steht, nicht in die Parade fahren. Dies lenkt auch praktischerweise davon ab,
dass die Enthaltung üblicherweise das probate Mittel uneiniger Koalitionen ist.
Die Ampel zieht sich - noch - elegant aus der Affäre.

Hinter der Entscheidung aus Brüssel wird ein tieferliegendes Problem deutlich.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität muss die neue Ampel einen praktikablen Weg
aufzeigen, wie sie den zusätzlichen Strombedarf eines elektrifizierten
Industrielandes decken will. Es reicht nicht, gegen etwas zu sein. Die stabile
Grundlastversorgung ist mit Wind und Sonne nicht gesichert. Der Weg zur
Produktion mit klimafreundlichem Wasserstoff ist möglich, aber noch weit.
Realität ist, dass Deutschland aus dem Atomenergie-Land Frankreich deutlich mehr
Strom importiert als exportiert. Nicht zuletzt ist die klimapolitisch richtige
CO2-Abgabe ein Kostentreiber. Die Inflation trifft auch die Bevölkerung in der
Breite. Die Koalition muss sich handlungsfähig zeigen. Enthaltung ist dafür kein
Signal.

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