Die Finanzmärkte haben eine besonders turbulente Woche hinter sich. Für Nervosität sorgten steigende Anleiherenditen, Rezessionsängste und unerwartet hohe US-Inflationszahlen, die den Kurs der US-Notenbank Fed bestätigten. Im Vorfeld der mit Spannung erwarteten Entscheidungen der EZB gegen Ende des Monats und der Federal Reserve am 2. November dürften die aktuellen Unternehmenszahlen in den Mittelpunkt rücken. Die ersten US-Banken haben soeben einen Rückgang ihres Nettogewinns je Aktie im 3. Quartal gemeldet.
Wochenperformance*
DAX
12437  +1.34%Chart
STOXX EUROPE 600
391.31  -0.09%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
3583.07  -1.55%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
27090.76  -0.09%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1643.78$  -3.12%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
91.62  -6.39%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
0.97$  -0.13%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Tops

Albertsons (+17 %): Die US-Supermarktkette befindet sich in Fusionsverhandlungen mit ihrem Erzrivalen Kroger. Bei erfolgreichem Abschluss entstünde ein Einzelhandelsgigant mit 5.000 Filialen.

Moderna (+13%): Für das Pharmaunternehmen gab es diese Woche zwei gute Nachrichten: Zum einen haben die Gesundheitsbehörden die an die Omikron-Variante angepassten Covid-19-Auffrischungsimpfstoffe für Kinder ab fünf Jahren zugelassen. Zum anderen will man mit Merck kooperieren, um einen mRNA-Krebsimpfstoff zu entwickeln und zu vermarkten.

BeiGene (+13 %): Dem an der Nasdaq notierten Biotech-Unternehmen zufolge schnitt sein Leukämiepräparat Brukinsa in der klinischen Prüfung besser ab als das von den Konkurrenten Johnson & Johnson und AbbVie entwickelte Medikament Imbruvica.

PepsiCo (+8 %): Der US-Getränkeriese veröffentlichte unerwartet gute Quartalsergebnisse und konnte seinen Umsatz um 9 % steigern. Ausgehend von einer Preiserhöhung um durchschnittlich 17 % hob das Unternehmen auch den Ausblick für das Geschäftsjahr 2022 an.

International Consolidated Airlines (+8 %): Der Mutterkonzern von Iberia und British Airways beruhigte die Märkte. Dank der wieder steigenden Passagierzahlen konnte die Gruppe im Sommer in die Gewinnzone zurückkehren und verzeichnete ein solides, über den Erwartungen liegendes 3. Quartal.

Flops

ASML (-9%): Der Weltmarktführer für Ausrüstungen zur Halbleiterherstellung bekam die Entscheidung der USA zu spüren, den Zugang chinesischer Unternehmen zu hochentwickelten Chiptechnologien zu beschränken. Die Absatzmärkte von ASML und seinen Mitbewerbern schrumpften drastisch.

Philips (-10%): Für den Rückruf fehlerhafter Beatmungsgeräte für Schlafapnoe-Patienten nimmt der niederländische Konzern eine Wertberichtigung von 1,3 Mrd. EUR vor. Nicht zum ersten Mal in den vergangenen Monaten sieht sich Philips mit mangelnder Zuverlässigkeit seiner Produkte konfrontiert. Am Markt kommt das alles andere als gut an.

Uber (-11 %): Wie auch andere Anbieter von Essensliefer- und Fahrdiensten stürzte die Aktie ab, da die Biden-Regierung einen Gesetzentwurf plant, gemäß dem die Konzerne die für sie tätigen Selbstständigen als Arbeitnehmer einstufen müssten.

Cameco (-15%): Der kanadische Uranspezialist, dessen Aktie zuletzt sehr gefragt war, musste nach der Ankündigung der Übernahme von Westinghouse mit Unterstützung von Brookfield Renewable Partners Abschläge hinnehmen. Das Transaktionsvolumen für den Erwerb des bereits seit Jahrzehnten im US-amerikanischen Nuklearsektor tätigen Unternehmens beläuft sich auf 7,9 Mrd. USD.

Temenos (-25 %): Der Schweizer Konzern korrigierte seine Ziele für 2022 nach unten - und zwar in einem Ausmaß, das die Analysten erstaunte. Offenbar haben die Kunden aus dem Finanzsektor ihre Investitionsentscheidungen aufgeschoben. Die schwachen Zahlen führten zum Abgang des erst vor Kurzem ernannten kaufmännischen Direktors. Der aktivistische Aktionär Petrus Advisers versetzte dem Management nach der Veröffentlichung einen Dämpfer.

Chart Rohstoffe
Rohstoffe

Energie: Die Stimmung an den Ölmärkten kippte diese Woche. Sie reagierten auf den düsteren Ausblick der OPEC mit einem Verlust von ca. 6 %. Das Kartell hat in seinem jüngsten Monatsbericht die Prognosen zum Nachfragewachstum 2022 und 2023 um 460.000 bzw. 360.000 Barrel pro Tag gesenkt. Begründet wurde dies mit Verweis auf die Auswirkungen der Inflation und des weltweiten Wirtschaftsabschwungs. Die Nordseesorte Brent notiert bei rund 92 USD, während die US-Referenzsorte WTI mit 86 USD pro Barrel gehandelt wird.

Metalle: Nachdem die Londoner Metallbörse (LME) Beschränkungen für den Handel mit russischen Metallen erwägt, knöpft sich nun auch Washington Moskau vor. Dem Nachrichtensender Bloomberg zufolge planen die USA ein Importverbot oder höhere Zölle für russisches Aluminium. Die Aluminiumpreise schnellten infolgedessen auf ca. 2.360 USD je Tonne. Dabei ist nicht zu vergessen, dass Russland nach China der zweitgrößte Aluminiumproduzent ist. Im Segment Edelmetalle tendierte Gold wieder abwärts und sank auf 1.650 USD. Auslöser war die beschleunigte Inflation in den USA.

Agrarprodukte: Zu Wochenbeginn nahmen die Marktteilnehmer den aktuellen Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) zur Kenntnis. Darin wurden die Schätzungen für die Weizen- und Maisproduktion für die Saison 2022/2023 aufgrund der geringeren Anbauflächen nach unten korrigiert. Die weitere Eskalation des Konflikts in der Ukraine, bei der ukrainische Städte hinter der Front von Russland bombardiert wurden, wirft die beunruhigende Frage auf, ob das Abkommen über den Export von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer eingehalten wird. Weizen notiert in Chicago bei nahezu 900 Cent, Mais bei 690 Cent je Scheffel. 

Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Es geht chaotisch zu. Diese Woche sorgten vor allem zwei Ereignisse für Aufregung: zum einen die US-Inflationszahlen, zum anderen das wirtschaftspolitische Chaos in Großbritannien. Dort ging das Kräftemessen zwischen der Bank of England und Liz Truss weitgehend zugunsten der älteren der beiden Damen aus. Die Premierministerin feuerte ihren gerade erst ernannten Finanzminister Kwasi Kwarteng, der eindeutig als Sündenbock für die eilig wieder kassierten Steuersenkungspläne herhalten musste. Bleibt abzuwarten, ob dies rückblickend seinen Ruf zu Beginn seiner Amtszeit ein wenig aufpolieren wird. Der Preisauftrieb in den USA war im September unerwartet hoch. Die Aktienmärkte reagierten darauf mit einem für sie typischen Überraschungscoup: Statt wie normalerweise zur Talfahrt anzusetzen, ging es dieses Mal bergauf.

Anleihen: Britische Staatsanleihen (Gilts) durchliefen in dieser Woche alle Phasen, sorgten doch Äußerungen von verschiedenen Seiten für Turbulenzen. Die Entlassung des britischen Finanzministers und die Bemühungen der Bank of England, die Situation zu beruhigen, haben die Atmosphäre deutlich entspannt. Die Rendite 10-jähriger britischer Titel gab innerhalb weniger Tage von 5 % auf unter 4 % nach. Die Aufhellung der Stimmung kam auch dem europäischen Festland zugute: Hier sanken die Renditen französischer Papiere und deutscher Bundesanleihen auf 2,80 % bzw. 2,19 %, also auf ihr Niveau vom letzten Freitag. In den USA rentierten 10-jährige Treasuries mit 3,93 % und blieben somit trotz der nach wie vor überhitzten Inflation insgesamt relativ stabil. Der Markt rechnet mittlerweile fest damit, dass die US-Notenbank Fed den Leitzins Anfang November erneut um 75 Basispunkte anheben wird, doch das ist ja inzwischen fast schon die Norm. Man gewöhnt sich schließlich an alles.

Devisen: Der Euro und der US-Dollar neutralisierten sich im Wochenverlauf weitgehend, wobei der Wechselkurs am Freitag um die 0,97255 EUR für 1 USD lag. Das Pfund Sterling zeigte nach der politischen Kehrtwende der britischen Regierung eine leichte Erholung. Zum Wochenschluss kostete 1 GBP 0,8678 EUR. Der US-Dollar tendierte im Verhältnis zu nahezu allen Währungen weiterhin stabil und wertete gegenüber dem Yen weiter auf. Mit 147,72 JPY für 1 USD notierte die japanische Währung unter dem Niveau, bei dem die Bank of Japan zu Monatsbeginn eine Intervention für notwendig erachtet hatte. Seit Jahresbeginn gewann die US-Währung gegenüber dem Yen 28 % an Terrain, was auf die stark divergierende Geldpolitik der beiden Länder zurückzuführen ist.

Kryptowährungen: Bei Kryptowährungen tut sich seit Wochen nichts. Die Vorzeigewährung Bitcoin pendelt seit einem Monat um 19.000 USD und hat damit zumindest die dramatische Abwärtsspirale gestoppt, aus der sie sich in letzter Zeit nicht befreien konnte. Das makroökonomische Umfeld ist immer noch von Angst geprägt, sodass die kleinste technische Erholung auf wackligen Füßen steht. Das zeigt, dass institutionelle, professionelle und private Anleger Kryptowährungen unverändert skeptisch sehen. 

Termine: Zum Auftakt der neuen Woche wird am Dienstag die erste Schätzung des chinesischen BIP-Wachstums für das 3. Quartal erwartet. Am Mittwoch folgt dann der britische Verbraucherpreisindex für September und am Donnerstag der Philly-Fed-Index für das verarbeitende Gewerbe in den USA. James Bullard, eines der derzeit prominentesten Fed-Mitglieder, wird in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag eine Rede halten. Auf Unternehmensseite präsentieren nächste Woche einige Schwergewichte ihre Quartalszahlen, allen voran Johnson & Johnson, Roche, Netflix, Tesla, Nestlé, ASML, IBM und L'Oréal. 

Kurs und Volumen
Gemeinsam auf Talfahrt
In dieser Woche setzten die globalen Indizes ihre 2022 eingeleitete Talfahrt fort. Sie standen von allen Seiten unter Druck und litten unter steigenden Anleiherenditen, Rezessionsängsten sowie unerwartet hohen US-Inflationszahlen, die den Kurs der Fed bestätigten. Am Donnerstag setzten die Indizes nach einem kurzen Einknicken jedoch zu einer spektakulären Erholung an, vermutlich einmal mehr in der Hoffnung, dass der Höhepunkt der US-Inflation erreicht ist. Am Freitag folgte die Ernüchterung nach Bekanntgabe des von der Universität Michigan erhobenen Index zum Verbrauchervertrauen, denn die Verbraucher rechnen zukünftig wieder mit einer höheren Inflation. An den Finanzmärkten wird es also derzeit ganz sicher nicht langweilig - sie machen den besten Serien auf Netflix Konkurrenz!
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.