Canberra (Reuters) - Nach jahrelangem Tauziehen zwischen den USA, Großbritannien und Australien ist Wikileaks-Gründer Julian Assange als freier Mann in seiner australischen Heimat angekommen.

Nachdem ein US-Gericht auf Grundlage eines Deals eine Assange zugesprochene Freiheitsstrafe für verbüßt erklärt hatte, landete Assange am Mittwoch an Bord eines Flugzeugs in der australischen Hauptstadt Canberra. Der 52-Jährige, der unter dem Vorwurf der Veröffentlichung von Militärgeheimnissen von den USA verfolgt und in Großbritannien festgehalten worden war, äußerte sich zunächst nicht. Winkend begrüßte er wartende Journalisten und zog sich dann mit seinen Vertrauten zurück. "Julian braucht Zeit, um sich zu erholen, um sich an die Freiheit zu gewöhnen", sagte seine Frau Stella. In die Erleichterung mischte sich Kritik seiner Unterstützer, die das Festhalten der USA an einer Verurteilung als Gefahr für die Medienfreiheit einstuften.

Assange hatte im Jahr 2010 auf der von ihm gegründeten Enthüllungsplattform Wikileaks ihm zugespielte Informationen über das Vorgehen der US-Streitkräfte im Irak und in Afghanistan veröffentlicht. Dabei ging es um rund 700.000 vertrauliche US-Militärdokumente sowie eine Reihe von diplomatischen Depeschen. Veröffentlicht wurde auch ein Video, das zeigt, wie aus einem US-Militärhubschrauber auf mutmaßliche Aufständische im Irak geschossen wird. Bei dem Angriff waren Dutzende Menschen getötet worden, darunter zwei Reuters-Mitarbeiter.

Assange hatte damals erklärt, die Papiere zeigten, wie die Regierung von Präsident George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 systematisch Menschenrechte verletzt habe. Die USA warfen ihm seitdem vor, durch einen beispiellosen Geheimnisverrat das Leben von US-Agenten gefährdet zu haben.

Assanges Unterstützer sahen in ihm dagegen einen Journalisten, der mutmaßliche Kriegsverbrechen aufdeckte. Die Regierung des früheren US-Präsidenten Barack Obama hatte sich noch gegen ein Auslieferungsgesuch entschieden. Sein Nachfolger Donald Trump weitete die Anklage dann aber aus und forderte eine Überstellung. Auch Trumps Nachfolger Joe Biden hielt daran fest.

FREIHEIT GEGEN SCHULDBEKENNTNIS

Nachdem Assange mehr als fünf Jahre in einem britischen Gefängnis und weitere sieben Jahre im Asyl der Botschaft Ecuadors in London verbracht hatte, hatten er und seine Unterstützer einen Deal mit den USA ausgehandelt. Assange stellte sich einem Bezirksgericht auf der US-Pazifikinsel Saipan und bekannte sich in einem Anklagepunkt schuldig: Er habe rechtswidrig vertrauliche Militärdokumente erhalten und veröffentlicht, während er angenommen habe, dies sei als journalistische Arbeit durch die in der US-Verfassung verbriefte Meinungsfreiheit gedeckt. Das Gericht verurteilte ihn daraufhin wie vereinbart zu einer gut fünfjährigen Freiheitsstrafe und entschied, dass er diese bereits durch seine britische Haftzeit verbüßt habe.

Der Freilassung war im Hintergrund ein diplomatisches Tauziehen zwischen Australien, den USA und Großbritannien vorausgegangen, wie der australische Ministerpräsident Anthony Albanese sagte. Er hatte lange auf Assanges Freilassung hingewirkt und sagte nun, Assange habe ihm nach seiner Ankunft telefonisch für diese Bemühungen gedankt. Australien sei mit Bedacht und Geduld für seinen Bürger vorgegangen, sagte Albanese. "Dies ist nicht etwas, was in den letzten 24 Stunden passiert ist."

"DAS WÜRDE MAN IN EINEM TOTALITÄREN LAND ERWARTEN"

Assanges Anwälte zeigten sich teils erfreut, teils empört. "Wir sind der festen Überzeugung, dass Herr Assange niemals nach dem Spionagegesetz hätte angeklagt werden dürfen und dass er eine Tätigkeit ausübte, die Journalisten jeden Tag ausüben", sagte sein US-Anwalt Barry Pollack. Die Enthüllungsplattform WikiLeaks werde ihre Arbeit fortsetzen. Assanges Anwältin in Großbritannien und den USA, Jennifer Robinson, sprach von einer großen Erleichterung nicht nur für Assange und seine Vertrauten, sondern auch für jeden, der an die Meinungsfreiheit glaube.

In Australien wurde weitere Kritik an den USA und dem von Assange abgelegten Schuldbekenntnis laut. "Ich glaube, es wird überall auf der Welt für Journalisten und Verleger ein Problem werden, Kritik an der US-Regierung zu veröffentlichen", sagte Assanges Vater John Shipton. "Das ist ein wirklich alarmierender Präzedenzfall", sagte der Abgeordnete Andrew Wilkie, der sich als Leiter einer parlamentarischen Gruppe für Assange eingesetzt hatte. "So etwas würde man in einem autoritären oder totalitären Land erwarten."

(Bericht von Minwoo Park in Saipan, Peter Hobson und Kirsty Needham in Canberra sowie Renju Jose und Lewis Jackson in Sydney. Geschrieben von Jörn Poltz, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)