Von Justin Lahart

NEW YORK (Dow Jones)--Viele Unternehmen haben hinsichtlich der Konjunktur ein flaues Bauchgefühl. Und dennoch wollen sie mehr Arbeitskräfte einstellen.

Das US-Arbeitsministerium meldete jüngst, dass per Ende November saisonbereinigt 10,5 Millionen offene Stellen in den USA zu besetzen waren, was in etwa der - nach oben korrigierten - Zahl für Oktober entspricht. Das ist zwar weniger als zu Beginn des vergangenen Jahres, aber immer noch weit mehr als in der Zeit vor der Pandemie. Was die im November von großen Unternehmen wie Amazon, Twitter und der Facebook-Mutter Meta Platforms angekündigten Stellenstreichungen anbelangt, so haben diese immer noch keine große Auswirkung auf den Gesamtarbeitsmarkt.

Im November gab es in den USA saisonbereinigt 1,4 Millionen Entlassungen. Das entsprach in etwa dem Stand vom Oktober und lag nur geringfügig über den 1,3 Millionen vom November 2021. Im Jahr vor der Pandemie, als der Arbeitsmarkt sehr stark war, gab es im Durchschnitt etwa 1,8 Millionen Entlassungen pro Monat. Darüber hinaus zeigt der aktuelle Bericht, dass die Zahl der Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz kündigten, im November relativ hoch blieb - ein Hinweis darauf, dass die Menschen anderswo Beschäftigungsmöglichkeiten finden.


   Verarbeitendes Gewerbe, CEOs und CFOs in Umfragen pessimistisch 

Der Bericht über offene Stellen steht im Gegensatz zum jüngsten monatlichen Bericht des Institute for Supply Management (ISM) über das verarbeitende Gewerbe. Der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe rangierte im Dezember bei 48,4 Punkten und damit unter dem Wert vom November mit 49 Zählern. Alles, was unter 50 Punkten liegt, deutet darauf hin, dass die Industrieproduktion schrumpft. Der in dem Bericht enthaltene Teilindex für die Beschäftigung kletterte jedoch vergangenen Monat auf 51,4 Punkte von 48,4. Das ist ein Hinweis darauf, dass die Industrie trotz der eingetretenen Verschlechterung der Lage die Zahl der Neueinstellungen erhöht hat.

Doch nicht nur das verarbeitende Gewerbe ist pessimistisch. Der Business Roundtable Index zum Optimismus von CEOs verschlechterte sich im vierten Quartal weiter. Eine vierteljährliche Umfrage der Duke University, der US-Notenbank Fed in Atlanta und der Fed in Richmond ergab zudem, dass Finanzchefs ähnlich pessimistisch sind.

Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Arbeitsmarkt die düsteren Prognosen aus den Chefetagen einholt - und je mehr die Fed die Zinsen in diesem Jahr anhebt, desto schwieriger wird es für die Wirtschaft, weiterhin Arbeitsplätze zu schaffen.

Es könnte aber auch sein, dass die großen Unternehmen, die die Umfragen in der Regel dominieren, ein unvollständiges Bild des Arbeitsmarktes zeichnen. Börsennotierte Unternehmen sind stärker auf die Produktion und den Verkauf von Waren ausgerichtet als die US-Wirtschaft insgesamt, die eher dienstleistungsorientiert ist. Und sie haben zudem im vergangenen Jahr einen starken Rückgang ihrer Aktienkurse erlebt. Die Ökonomen von Jefferies weisen darauf hin, dass im November 78,4 Prozent der offenen Stellen im nicht-börsennotierten Sektor auf Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten entfielen.

Was auch immer der Grund sein mag, zumindest im Moment sieht der Arbeitsmarkt robust aus. Eine Rezession könnte 2023 bevorstehen, aber sie hat noch nicht begonnen.

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January 05, 2023 03:50 ET (08:50 GMT)