GÖTTINGEN (dpa-AFX) - Der Pharmazulieferer und Laborausrüster Sartorius liegt in der Gunst der Investoren weit vorne. An der Börse schaffte der Konzern vor einem halben Jahr den Aufstieg in den Mittelwerteindex MDax, die Aktie notiert in luftigen Höhen. Der langjährige Konzernchef Joachim Kreuzburg hat unterdessen für die Zukunft ehrgeizige Pläne. Die wichtigsten Punkte für das Unternehmen, was die Experten sagen und was die Aktie macht:

DAS IST LOS BEI SARTORIUS:

Berlins ehemals größte Privatbrauerei Bötzow hat auf den ersten Blick wenig mit Medizin zu tun. Doch dieser Bau dürfte künftig zum neuen wichtigen Standort des Pharmazulieferers und Laborausrüsters Sartorius in Deutschland avancieren. Der Konzern hat sich auf dem Gelände des denkmalgeschützten Industriekomplex eingemietet, der zur Zeit noch saniert wird. Ab 2022 will Sartorius dort auf 3000 Quadratmetern vor allem kreative Geister und Menschen aus dem IT-Bereich versammeln.

Damit hat das Bötzow-Projekt Symbolkraft für Sartorius: Das Göttinger Unternehmen profitiert von neueren Trends in der Pharmabranche und versucht selbst ebensolche aufzuspüren, um mitmischen zu können. Doch die Lage der Zentrale in Göttingen ist da nicht immer von Vorteil. Zwar pocht Konzernchef Joachim Kreuzburg darauf, dass Göttingen "Herz, Kopf und Motor" des Konzerns bleibt - gleichzeitig muss er einräumen, dass es nicht immer leicht ist ist, Wissenschaftler von Karat in die niedersächsische Kleinstadt zu ziehen. Deshalb der Gang nach Berlin.

Ohnehin will Sartorius kräftig aufrüsten. Weltweit sollen tausende Stellen neu hinzukommen, so der Plan. Bis 2025 soll die Belegschaft von aktuell rund 8000 Mitarbeitern auf dann 15 000 wachsen. Am Standort Göttingen dürften indes nur noch wenige hundert Stellen hinzu kommen. Bei seiner Expansion nimmt Sartorius vor allem andere Länder als Deutschland ins Visier. China und USA etwa stehen hier ganz oben.

Sein Wachstum der vergangenen Jahre hat Sartorius dem wieder erstarkten Forscherdrang in der Pharmabranche und der aufkommenden Gentechnikindustrie zu verdanken. Seine Kunden bedient das Unternehmen mit Produkten für deren Forschung sowie etwa mit Filtern und Bioreaktoren für die Herstellung von Biopharmazeutika. Doch liegt es nicht minder an der Umtriebigkeit und hohen Investitionsbereitschaft von Vorstandschef Kreuzburg, dass der Konzern derzeit scheinbar unbeirrbar auf der Erfolgsspur gleitet. Der Manager steht seit 2005 an der Konzernspitze. Durch rege Übernahmetätigkeit hat er das ursprünglich aus der Wägetechnik kommende Unternehmen rechtzeitig auf die wachsende Biotech-Branche ausgerichtet.

Die weltweit anhaltende Nachfrage nach Biopharmazeutika ist Kreuzburgs große Hoffnung. Auch die jüngst kleinere Delle im Laborgeschäft, das im zweiten Halbjahr 2018 unter der sich abschwächenden Konjunktur in Europa litt, wischt der Manager deshalb in seiner Planung galant beiseite. Nach Zuwächsen im vergangenen Jahr ist für 2019 ein weiteres Plus bei den Erlösen und der Profitabilität angepeilt. Zwischen 2020 und 2025 ist sogar eine Verdoppelung der Erlöse auf 4 Milliarden Euro vorgesehen. Triebfeder soll dabei die Sparte Bioprocess Solutions sein, hinter die in Frankreich börsennotierte Sartorius Stedim Biotech steckt.

Dabei scheut sich das Management auch nicht, immer wieder neue Felder zu betreten. Nachdem Sartorius durch eine geänderte Vereinbarung mit dem Schweizer Zulieferer Lonza dessen Zellkulturmedien nicht mehr exklusiv anbieten kann, steht für Kreuzburg fest, dass der Konzern ein solches Geschäft selbst aufbauen muss. In der Bioanalytik, so sagt der Konzernlenker, habe man einen "Pfad" aufgemacht, in der auch weitere ergänzende Zukäufe möglich erscheinen. Ohnehin gehören "komplementäre" Übernahmen für Kreuzburg zur Strategie. Zuletzt hatte Sartorius dafür gut 2 Milliarden Euro im Säckel.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Im September 2018 hatte Sartorius bei der Neuordnung der Dax-Familie den Aufstieg in den Mittelwerteindex MDax geschafft. Kein Wunder: Das Papier hatte eine rasante Jagd hinter sich - allein in den fünf Jahren zuvor hatte sich der Kurs mehr als versechsfacht..

Nach dem Rekordhoch bei rund 160 Euro im August des vergangenen Jahres kam für das Sartorius-Papier aber zunächst einmal der Durchhänger. Trotz mehrfacher Versuche der Aktie, sich wieder aufzubäumen, zeigte der Trend nach unten. Anfang Januar erreichte das Papier so sein Zwischentief bei 103,50 Euro.

Seitdem sucht der Kurs wieder den Himmel - die bereits zu Ende Januar präsentierten guten Eckdaten für 2018 und der als stark eingestufte Ausblick für das neue Jahr verbesserten die Stimmung für das Papier erheblich. Inzwischen hat sich die Aktie kräftig erholt und notierte zuletzt wieder bei knapp 158 Euro - ein Plus im Vergleich zum Januartief von etwas mehr als 50 Prozent.

Nach dem jüngsten Kursanstieg ist das 1870 gegründete Sartorius an der Börse wieder elf Milliarden Euro wert und zählt damit zu den wertvollsten MDax-Unternehmen. Hauptprofiteur des Kursanstiegs ist die Gründerfamilie, die insgesamt 55 Prozent der Stammaktien halten. Dieses Paket hat derzeit einen Wert von rund 2,9 Milliarden Euro.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Für einige Branchenkenner ist der enorme Auftrieb der Sartorius-Aktie inzwischen aber des Guten zuviel: Scott Bardo von der Privatbank Berenberg etwa gab Ende Februar sein bis dahin neutrales Votum auf - er empfiehlt seitdem den Verkauf des Papiers. Aus seiner Sicht hat die Aktie inzwischen den Boden der Tatsachen verlassen. Bardo stellte in seiner Studie fest, dass ausgerechnet die zuletzt etwas schwächelnde Laborsparte an der Börse mehr als doppelt so teuer gehandelt wurde als die besten Anbieter von Laborausrüstungen weltweit.

Für Bardo ist dies nicht verständlich, denn die Sparte komme im Vergleich zu den Bioprocess Solutions auf die schwächere Marge, habe eine schlechtere Marktposition und sei stärker von der Konjunktur abhängig.

Auch Michael Heider vom Analysehaus Warburg Research und Michael Leuchten von der Schweizer UBS sind inzwischen vorsichtiger: Beide kassierten vor einigen Wochen wegen der starken Kursentwicklung ihre Kaufempfehlungen und bleiben nun mit einem neutralen Votum an der Seitenlinie. Von den zehn im dpa-AFX-Analyser zusammengefassten Marktexperten empfiehlt damit inzwischen niemand mehr das Papier zum Kauf: Mit 5 zu 5 halten sich neutrale Voten und Verkaufsempfehlungen nun die Waage.

UBS-Analyst Leuchten zeigte sich indes zuletzt vom Margenziel des Konzerns positiv überrascht. Ähnlich äußerte sich Richard Latz von der britischen Investmentbank HSBC. Der Ausblick auf 2019 lasse ein weiteres starkes Jahr erwarten, erklärte er. Im Schnitt sehen die Analysten das Kursziel für Sartorius nunmehr bei knapp 118 Euro - also deutlich unter dem aktuellen Kurs./tav/elm/zb