Von Thomas Leppert

FRANKFURT (Dow Jones)--Am Aktienmarkt war in diesem Jahr bisher kaum Geld zu verdienen. Nach fast drei Quartalen hat der DAX rund 21 Prozent an Wert eingebüßt, MDAX wie auch SDAX haben rund ein Drittel verloren. Momentan zeichnet sich ein Ende der Schwäche nicht ab, droht doch die bald startende Berichtssaison zum dritten Quartal mit weiteren Gewinnwarnungen der Unternehmen neue Verkaufsargumente zu liefern. Der Kampf der Zentralbanken, den sie ausfechten, indem sie der Inflation durch steigende Zinsen entgegentreten, ist bislang nicht erfolgreich. Derweil notiert der Euro auf dem niedrigsten Niveau seit etwa 20 Jahren zum Dollar, was zum einen den niedrigen Renditen in Euroland geschuldet ist, zum anderen aber auch der Schwäche der Wirtschaftsleistung zuzuschreiben ist. Für viele Volkswirte steht fest, dass Deutschland im kommenden Jahr eine Rezession bevorsteht. Damit könnte dem deutschen Aktienmarkt weiteres Ungemach drohen.


   Notenbanken im Kampf gegen Windmühlen 

In der abgelaufenen Woche gab es viele Notenbanksitzungen, unter anderem eine extrem hawkische US-Notenbank. Die Schweizerische Nationalbank wie auch die Bank von England haben ebenfalls die Leitzinsen deutlich angehoben, um die Inflation zu senken. Ob und wie die teils reflexartige Reaktion in dem aktuellen Umfeld wirken soll, ist teils schwer nachvollziehbar. So bemängelt UBS-Chefvolkswirt Paul Donovan, dass Fed-Chef Jerome Powell nicht erklärte, wie die Straffung der Geldpolitik funktionieren soll.

Mit dem Ausbremsen der Wirtschaft mag zwar die Arbeitslosigkeit steigen, allerdings handele es sich momentan nicht um eine lohnbedingte Inflation. Der Chefvolkswirt stuft als unwahrscheinlich ein, dass eine Zinsanhebung den russischen Rückzug aus der Ukraine beschleunigt, die kalifornischen Ernteerträge erhöht oder aber die fiktiven Immobilienpreise verändert, die zum Teil die Gründe für die aktuelle Inflation sind.

Mittelfristig gehen Volkswirte davon aus, dass die Inflation dann zurückkommt, für das kommende Jahr prophezeien sie eine Rezession. So erwartet Stratege Jim Reid von der Deutschen Bank aufgrund der Energiekrise in Europa für 2023 nach 2009 und 2020 das wahrscheinlich schlechteste Jahr für die europäische Wirtschaft seit dem zweiten Weltkrieg. Für Deutschland erwartet Reid ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 3,5 Prozent, für den Euroraum immerhin noch um 2,2 Prozent. Ziemlich düstere Zahlen, wobei Deutschland von dem Gasschock mit am stärksten betroffen sei. Auch der Bankenverband erwartet kurzfristig eine weiter steigende Inflationsrate, für 2022 steigende Verbraucherpreise (HVPI) um 8,3 Prozent und im kommenden Jahr immerhin noch um 5,9 Prozent.


   Wahlen in Italien kein Gamechanger 

Die anstehenden Wahlen in Italien am Sonntag stellen für die Kapitalmärkte ein überschaubares Risiko dar. Ein Sieg des rechten Parteienbündnisses unter Führung von Giorgia Meloni ist nach Einschätzung der Union Investment so gut wie sicher. Meloni ist Vorsitzende der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens, FdI). Hinzu kämen Matteo Salvinis nationalpopulistische Lega und Forza Italia, die Partei des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.

Auch bei einem Sieg des rechten Parteienbündnisses werden die politischen Risiken unmittelbar nach der Wahl als begrenzt eingestuft. Vielmehr sei im Wahlmanifest das Bekenntnis zu lesen, dass Italien Teil der Europäischen Union (EU) und der transatlantischen Allianz sei. Ähnlich äußert sich auch die Citigroup. Die Finanzmärkte blickten derzeit entspannt auf die politischen Risiken in Italien. Damit könnten sie richtig liegen, so die Analysten, zumindest für die kommenden Monate.

An der Börse wird zur Beurteilung der Lage gerne auf die Entwicklung der Zinsdifferenz zwischen italienischen und Bundesanleihen geschaut als Indikator, wie hoch das Risiko dort bewertet wird. Dieser Spread engte sich nach Aussage der Marktstrategen der DZ Bank jüngst ein, nachdem ein Berater der in Umfragen führenden Partei Fratelli d'Italia in Aussicht gestellt hatte, dass sich der 2023er Haushaltsentwurf an den Blaupausen der Draghi-Regierung orientiere und weitere mit Brüssel vereinbarte Reformen in die Tat umgesetzt werden könnten.


   Gewinndynamik dürfte sich im zweiten Halbjahr etwas abschwächen 

Das Gewinnwachstum der Unternehmen war im ersten Halbjahr 2022 stark, nachdem im Jahr 2021 ein Rekordwachstum erzielt wurde. Auch im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden rekordverdächtige Ergebnisse erzielt, wobei in Europa bereits rund 65 Prozent der Gewinne des gesamten Jahres 2021 eingefahren wurden. Auf dem Papier ist dies eine beeindruckende Leistung; wenn die Researcher der UBS jedoch die durch Inflation bedingte Unschärfe entfernt und den Fokus anpasst haben, wird das Bild für sie viel klarer. Auf inflationsbereinigter Basis beträgt der Gewinn der ersten sechs Monate rund 50 Prozent des Jahresgewinns 2021. Die Gewinne im Jahr 2021 waren in der zweiten Jahreshälfte jedoch stärker als in der ersten. Im Gegensatz dazu war in diesem Jahr die erste Jahreshälfte relativ stärker, getragen von einer Handvoll Sektoren wie Energie und Transport.

Die Gewinnschätzungen auf Sicht eines Jahres sind für die Analysten der UBS ein weiterer Beweis dafür, dass sich das Wachstumstempo der Unternehmensgewinne gegenüber 2021 nun zu verlangsamen beginne. Defensive Sektoren waren in der Lage, das Gewinnwachstum relativ besser zu schützen als zyklische Sektoren, wobei Nahrungsmittelhersteller, Pharmazeutika und Tabakwaren alle Aufwärtstrends aufwiesen. Die Umsätze hingegen verzeichnen weiterhin ein phänomenales Wachstum, das durch steigende Inflationsraten angeheizt wird.


   Porsche AG wird an der Börse ihre Fans finden 

Am Donnerstag kommender Woche wird der Börsengang der Porsche AG für Schlagzeilen sorgen. Auch wenn das Umfeld nicht für den Gang an die Börse spricht, übertrifft die Nachfrage bereits das Angebot von 25 Prozent der Vorzugsaktien der Stuttgarter, die die Mutter VW an die Börse bringt. Als Anerkennung einer Legende gibt es insgesamt 911 Millionen Aktien und es werden 911 Millionen Euro an Dividende ausgeschüttet. Zu den Investoren der ersten Stunde sollen Markenmacher wie der LVMH-Chef Bernard Arnault oder Red-Bull-Macher Dietrich Mateschitz gehören. Zudem dürfte der hohe Anteil an Elektroautos ein Kaufargument für die ESG-affinen Investoren liefern. Bereits im Dezember könnte die Porsche AG in die Königsklasse am deutschen Aktienmarkt aufsteigen, den DAX. Dann dürften auch Index-Fonds und -Tracker zu den Käufern der Aktie gehören.

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September 23, 2022 04:27 ET (08:27 GMT)