Laut den Rohstoffanalysten der Commerzbank (Coba) scheint der innenpolitische Konflikt in Russland keine tiefen Spuren an den Rohstoffmärkten hinterlassen zu haben. Die Ereignisse vom Wochenende hätten aufgezeigt, dass die aktuelle Regierung unter Präsident Waldimir Putin nicht so fest im Sattel sitze wie zuvor vermutlich von vielen angenommen. Die ultimativen Implikationen seien jedoch schwer abschätzbar. Denn eine neue Regierung in Moskau könnte sogar noch radikalere Züge tragen. Die Experten blicken erneut auf die Risiken für die Rohstoffmärkte.

Man könnte einwenden, dass sich die Auswirkungen einer Eskalation wohl in Grenzen hielten, da EU und G7 bereits weitreichende Sanktionen gegen den für die russische Wirtschaft wichtigsten Markt, den Energiesektor, verhängt hätten. Darunter falle ein Öl- wie auch Kohleembargo gegen Russland seitens der EU, wie auch ein Preisdeckel für den seewärtigen Transport von Öl- und Ölprodukten. Aber auch andere Rohstoffe unterlägen einem EU-Embargo, wie etwa Gold, Eisen, Stahl und Holz. Allerdings: auch wenn die bereits bestehenden Sanktionen Russlands Exporteinnahmen erheblich beschnitten, gebe es durchaus noch wichtige Bereiche, die bislang nicht von Sanktionen belegt seien und die entsprechend bei einer Verschärfung des Konflikts betroffen sein könnten.

Hier sei insbesondere der Handel von wichtigen Industriemetallen zu nennen. Die britische wie auch US-Regierung hätten zwar Sanktionen gegen vereinzelte Metalle aus Russland verhängt. Allerdings sei Russland für beide Länder kein essenzieller Handelspartner in dem Bereich, so dass die direkten Konsequenzen überschaubar seien.

Das gelte aber nicht für die EU. Diese habe 2022 noch mehr als 40 Prozent ihrer Nickelimporte aus Russland bezogen. Daten der Internationalen Energieagentur zufolge belegt das Land Platz drei bei der globalen Produktion. Bei Nickel der Klasse 1, welches etwa in E-Auto-Batterien Verwendung findet, ist es sogar der führende Anbieter mit einem Marktanteil von fast 20 Prozent. Ähnlich verhält es sich bei Palladium. Hier hat Russland sogar einen globalen Marktanteil von etwas mehr als 40 Prozent und ist damit ebenfalls Spitzenanbieter des Edelmetalls. Schätzungsweise machten Palladium-Importe aus Russland ein Drittel der Gesamtimporte der EU aus. Zudem ist Russland auch wichtiger Produzent von Platin, Aluminium und Kupfer, wobei die Marktanteile hier deutlich geringer ausfielen. Die (Primär-) Aluminium- und Kupferproduktion werde jedoch von China dominiert, so dass ein Wegfall der russischen Importe wiederum die Abhängigkeit der EU von chinesischen Einfuhren erhöhte, was die Angebotsrisiken nicht gerade verringerte.

Aufgrund der hohen Abhängigkeit der EU von russischen Nickel- wie auch Palladiumimporten sei davon auszugehen, dass sie von Sanktionen für diese beiden Güter weiterhin absehen werde. Vorstellbar wäre aber, dass Moskau seinerseits seine Ausfuhren in westliche Länder einschränkt. Dies wäre wohl auch deshalb ein wirksamer Schritt, weil es zweifellos - wie am Energiemarkt - alternative Abnehmer für beide Metalle fände - etwa China. Dagegen würde es für den Westen schwerer, alternative Lieferanten zu finden. So habe Südafrika als zweiter wichtiger Palladiumproduzent mit zunehmenden Problemen bei der Stromversorgung zu kämpfen.

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

DJG/flf/ros

(END) Dow Jones Newswires

June 27, 2023 08:13 ET (12:13 GMT)