Taipeh/Berlin/Frankfurt (Reuters) - Mit TSMC zieht es einen weiteren ausländischen Chip-Konzern nach Deutschland: Der weltgrößte Auftragsfertiger kündigte am Dienstag an, für mindestens zehn Milliarden Euro ein neues Werk in Dresden zu bauen.

Dabei habe sich die taiwanische Firma bewusst für das Ökosystem "Silicon Saxony" entschieden, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Rund um die Landeshauptstadt haben sich bereits zahlreiche Mikroelektronik-Firmen angesiedelt.

TSMC will in Dresden voraussichtlich ab Ende 2027 Prozessoren vor allem für die europäische Fahrzeug-Industrie herstellen. Für die neue Fabrik holt der taiwanische Konzern den deutschen Auto-Zulieferer Bosch sowie die Halbleiter-Produzenten Infineon und NXP als Junior-Partner mit ins Boot. Diese Firmen produzieren bereits in der Region und beteiligen sich mit jeweils zehn Prozent an dem geplanten Gemeinschaftsunternehmen.

TSMC will etwa 3,5 Milliarden Euro an Eigenkapital in die neue Fabrik stecken. Dazu kommen noch Kredite und die staatliche Förderung. Von Infineon und Bosch kommen jeweils weitere 500 Millionen Euro an Eigenkapital. Deutschen Verhandlungskreisen zufolge will der Bund das Projekt mit bis zu fünf Milliarden Euro bezuschussen. Die EU-Kommission muss den Subventionen zwar noch zustimmen. Dies gilt aber als sicher, weil der sogenannte Chips Act ausdrücklich die Förderung der Halbleiter-Produktion in Europa vorsieht. TSMC wird in Dresden voraussichtlich 2000 Stellen schaffen, etwa zehn Prozent der Beschäftigen kämen dabei aus Taiwan.

AUTOBRANCHE IST WICHTIGSTER ABNEHMER

Die geplante Fabrik wird den Angaben zufolge eine monatliche Verarbeitungskapazität von 40.000 Wafern haben. Abhängig von der Größe können aus jeder dieser Silizium-Scheiben einige Dutzend bis mehrere Hundert Chips gewonnen werden. Die Automobilbranche, für die die Dresdener Chips gedacht sind, nehme weltweit etwa sieben Prozent aller Mikrochips ab, erklärten die Firmen. Bis 2030 werde sich dieser Anteil wegen des Trends zur Elektromobilität und zum autonomen Fahren auf etwa 16 Prozent mehr als verdoppeln.

"Deutschland entwickelt sich jetzt wahrscheinlich zu dem großen Standort für die Halbleiter-Produktion in Europa", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Das sei wichtig für die Halbleiter-Versorgung und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Während der Coronavirus-Pandemie kam es unter anderem in der europäischen Automobilbranche zu Produktionsausfällen, weil Chip-Lieferungen aus Asien ausblieben.

TMSC FOLGT INTEL UND WOLFSPEED MIT CHIPWERK

TSMC ist bereits der dritte Konzern der sich binnen eines halben Jahres für eine Chipfabrik in Deutschland entschlossen hat. Vor knapp zwei Monaten hatte der US-Chipkonzern Intel den 30 Milliarden Euro schweren Bau einer "Megafab" in Magdeburg angekündigt. Hier schießt der Bund etwa zehn Milliarden Euro zu.

Wolfspeed entschied sich Anfang des Jahres für das Saarland als Standort für ein neues, 2,75 Milliarden Euro schweres Werk. Dort will der US-Konzern Siliziumkarbid-Chips herstellen, die unter anderem für Elektroautos benötigt werden. In Itzehoe soll eine Fabrik von Vishay, eines Spezialisten für passive Halbleiter, entstehen. Auch der südkoreanische Elektronik-Hersteller Samsung überlegt, eine Chip-Fabrik in Europa zu errichten - dies war Thema eines Besuchs von Kanzler Olaf Scholz in Seoul im Frühsommer.

Auch heimische Firmen bauen ihre Produktionskapazitäten aus, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden. So pumpt Bosch drei Milliarden Euro in diesen Bereich, sowohl in Dresden als auch an anderen Standorten. Infineon erweitert allein sein Werk in der sächsischen Landeshauptstadt für fünf Milliarden Euro. Das ist größte Einzel-Investition der Firmengeschichte.

GEOGRAFISCHE DIVERSIFIKATION ALS SICHERHEITSGARANTIE

TSMC expandiert auch in andere Staaten wie Japan oder die USA. So fließen umgerechnet 37 Milliarden Euro in eine Fabrik im US-Bundesstaat Arizona, die im kommenden Jahr ihren Betrieb aufnehmen soll. Damit will sich der weltgrößte Halbleiter-Hersteller wohl auch für eine mögliche militärische Eskalation im Streit zwischen seinem Heimatland Taiwan und China wappnen. Die Volksrepublik betrachtet den Inselstaat als abtrünnige Provinz.

Ein bewaffneter Konflikt könnte die weltweite Chip-Versorgung gefährden. Die heutzutage in praktisch allen technischen Geräten benötigten Halbleiter werden bislang vor allem in Taiwan, Japan, China und Südkorea produziert.

(redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Ben Blanchard und Andreas Rinke und Hakan Ersen