Die Furcht vor neuen Beschränkungen wegen steigender Coronavirus-Infektionen hat Europas Börsen zum Wochenanfang auf Talfahrt geschickt.

"Das Risiko eines zweiten Lockdowns macht Investoren eindeutig nervös", sagte Direktorin Jane Shoemake von der Investmentgesellschaft Janus Henderson. Der Dax gab 4,4 Prozent auf 12.542 Zähler nach, der EuroStoxx50 büßte 3,7 Prozent auf 3161 Punkte ein. Die drohenden Einschränkungen ließen die Volatilitätsindizes VDax und VStoxx, die die Nervosität der Anleger messen, rund 30 Prozent ansteigen. An der Wall Street gab der US-Standardwerteindex Dow Jones rund drei Prozent nach.

In Großbritannien droht ein erneuter landesweiter Lockdown, da die Zahl der neuen Coronavirus-Infektionen täglich um mindestens 6000 pro Tag zunimmt. Leitende wissenschaftliche Berater der Regierung warnten vor einem möglichen Anstieg auf 50.000 Fälle pro Tag bis Mitte Oktober. Wegen der steigenden Infektionszahlen gilt in Wales bereits ab Dienstagnachmittag wieder ein Lockdown. "An der Börse fürchtet man ein Szenario, in dem die Infektionszahlen so dramatisch steigen, dass neue Lockdown-Maßnahmen, die vor Wochen noch als undenkbar galten, doch wieder eingeführt werden müssen", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets.

Selbst bei einer zeitlichen Begrenzung nationaler Lockdowns auf nur zwei Wochen, wäre der Einfluss auf die Wirtschaft signifikant, prognostizierte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. Vor diesem Hintergrund warfen Investoren vor allem Reise- und Touristikwerte aus den Depots. Der Index für die europäische Tourismusbranche fiel mehr als fünf Prozent. Schlusslicht war hier die British-Airways-Mutter IAG. Ihre Aktien brachen zeitweise um 15 Prozent ein.

Spekulationen auf einen Nachfrage-Rückgang wegen der Pandemie setzten auch dem Ölpreis zu. Die Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um rund vier Prozent auf 41,36 Dollar je Barrel (159 Liter). Verschärft werde der Preisdruck durch die wieder steigenden Fördermengen im Bürgerkriegsland Libyen, schrieben die Analysten der ANZ Bank. "Ein steigendes Angebot kann der Markt alles andere als gebrauchen."

BERICHTE ÜBER GELDWÄSCHE DURCH GROSSBANKEN

Auf der Verkaufsliste der Anleger standen zudem Finanzwerte, nachdem ein Recherche-Netzwerk nach Auswertung von Daten des US-Finanzministeriums über Geldwäsche durch internationale Großbanken berichtet hatte. Anleger fürchteten sich vor weiteren Geldbußen und einem Imageverlust für die ohnehin durch die Corona-Krise gebeutelten Banken. Die in den sogenannten "FinCEN-Files" erwähnte Deutsche Bank betonte, die genannten Themen seien den Aufsichtsbehörden bekannt und würden untersucht. Die Aktien des Geldhauses fielen dennoch um 8,8 Prozent und waren damit größter Verlierer im Dax.

In London rutschten die Papiere von HSBC und Standard Chartered auf den tiefsten Stand seit 25 Jahren. Die beiden Geldhäuser tauchten in den "FinCEN-Files ebenfalls auf. HSBC verwies in einem Brief an Reuters auf das Alter der Dokumente und auf konzernweite Schritte im Kampf gegen Finanzbetrug. StanChart erklärte ebenfalls, umfangreiche Maßnahmen ergriffen zu haben. An der Wall Street gaben JPMorgan und Bank of New York Mellon rund vier Prozent nach. Die Institute gehören ebenfalls zu den Banken, deren Namen häufig in den "FinCEN-Files" auftaucht.

Am deutschen Aktienmarkt brachen die Titel von United Internet knapp 24 Prozent ein. Die Papiere der Mobilfunk-Tochter 1&1 Drillisch rauschten rund 28 Prozent in die Tiefe, so stark wie zuletzt vor etwa neun Jahren. Die beiden Firmen hatten wegen eines Streits um die Preise für die Nutzung des Mobilfunk-Netzes von Telefonica Deutschland ihre Prognosen gesenkt. Aus den Depots schmissen Anleger auch Lufthansa-Papiere. Die Airline verschärft wegen der Corona-Krise ihren Sparkurs und lässt die Flotte stärker als bisher geplant schrumpfen. Die Lufthansa-Aktie gab im MDax 9,5 Prozent nach.