Online-Kochkurse statt After-Work-Drinks, Hackathons auf der Couch statt Hektik in den Handelsräumen - die neue Generation der Investmentbanker wächst anders heran.

Die Corona-Pandemie zwingt Banken wie Goldman Sachs, Barclays und Deutsche Bank zum Umdenken bei der Ausbildung ihrer Händler. Die sonst üblichen Parties und Kennenlern-Events gibt es nicht. Geplaudert, gelernt und genetworked wird virtuell. Für die jungen Berufsstarter ist das im Homeoffice nicht immer einfach, auch wenn es positive Aspekte gibt.

Viele Praktikanten vermissen die Quirrligkeit in den Handelsräumen, in denen normalerweise viel telefoniert und sich laut über Tische hinweg zugerufen wird. "Man erlebt nicht das echte Arbeitsfeeling, wenn man nur zu Hause arbeitet", sagt ein Praktikant. "Ich fände es einfacher, mit den neuen Kollegen persönlich zu sprechen und sie besser kennenzulernen." Auch die Ausbilder haben mit der virtuellen Welt manchmal ihre Probleme. "Es ist anstrengend, alles über Emails oder Video-Calls zu erklären, das wäre im direkten Gespräch viel einfacher", sagt ein Händler, der für die Praktikanten zuständig ist.

"Das ist alles ein großes Experiment, aber es fühlt sich gut an und das Feedback ist bisher sehr positiv", sagt Rob Ager, der bei der britischen Bank Barclays für die Nachwuchsgewinnung zuständig ist. Zwar gehe in der virtuellen Welt "Authentizität" verloren, aber die Arbeit zu Hause führe dazu, dass die Kollegen enger zusammenarbeiteten als bisher. Durch die besondere Situation sei man darauf bedacht, sich öfter zu helfen, sagt ein Praktikant, der seinen Namen nicht nennen möchte. Zudem achten Banken nach eigenen Angaben mehr als sonst darauf, dass die Work-Life-Balance eingehalten und eine Pause gemacht wird. Bei Händlern gilt sonst das Recht des Stärkeren, wer nicht mithalten kann, fliegt raus. Investmentbanken sind in der Vergangenheit in die Kritik geraten, weil sie Praktikanten bei vergleichsweise geringer Bezahlung stundenlang schuften ließen.

Um die jungen Leute bei Laune zu halten, lassen sich Banken einiges einfallen. "Wir können keine Parties veranstalten, aber wir haben etwa mit einem Musik-Startup einen virtuellen Band-Wettbewerb abgehalten und die Praktikanten konnten abstimmen", sagt JP-Morgan-Personalmanagerin Helena Sharpe. Goldman Sachs setzt auf Lunchpausen via Zoom, Online-Fitnesskurse und sogenannte Hackathons - marathonmäßige Programmier-Events mit dem Ziel, unkonventionelle Ideen zu entwickeln. Vor der Corona-Pandemie fanden solche Brainstorming-Events in Tagungsräumen der Banken statt.

GOLDMAN SACHS VERSCHICKT STROMGENERATOREN

Bei der Deutschen Bank durchlaufen in diesem Sommer weltweit 460 Praktikanten ein vierwöchiges rein, virtuelles Training. Um für Teamzusammenhalt zu sorgen, veranstaltete das Institut etwa einen Foto-Wettbewerb über die Arbeitsbedingungen im Homeoffice und ein Online-Quiz. Über Videocalls erhielten die Praktikanten die Chance, mit Führungskräften aus der ganzen Welt zu sprechen. Das erste Feedback sei überwältigend gewesen, erklärte die Bank. Die Geldhäuser wollen die gewonnenen Erkenntnisse über die virtuelle Ausbildung sammeln und womöglich auch nach der Corona-Krise weiterführen.

Weil in der Krise die Kapazitäten begrenzt sind, stellen Investmentbanken weniger Praktikanten ein und verkürzen die Ausbildungszeit. Positiv für die Studenten: An der Bezahlung ändert sich oft nichts. Für die heiß begehrten normalerweise zehnwöchigen Praktika, von denen sich junge Leute eine lukrative Karriere versprechen, werden laut der Karriere-Internetseite efinancialcareers.com.uk um die 10.000 Pfund (umgerechnet gut 11.000 Euro) bezahlt. Viele Programme laufen dieses Jahr aber nur halb so lang und sind auf Heimarbeit ausgerichtet. Banken stellen die IT-Ausstattung für zu Hause zur Verfügung. Goldman Sachs verschickt bei Bedarf sogar Stromgeneratoren an seine rund 380 Praktikanten in Europa, dem Nahen Osten und Afrika (EMEA).