MÜNCHEN (dpa-AFX) - Schäden aus der Versicherung von Großveranstaltungen sind bisher der größte Brocken, der den Rückversicherer Munich Re in der Corona-Krise belastet. Wichtige Eckdaten zum zweiten Quartal hat der Dax-Konzern schon vorab veröffentlicht. Bei der Vorlage des gesamten Quartalsberichts am 6. August geht es um die Details - und die Aussichten für den Rest des Jahres. Was bei Munich Re los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI MUNICH RE:

Die Olympischen Spiele sind um ein Jahr verschoben, viele andere Veranstaltungen sind 2020 ganz gestrichen. Die Corona-Krise hat Munich Re im zweiten Quartal erneut zugesetzt. So legte der Konzern weitere 700 Millionen Euro für versicherte Pandemie-Folgen zurück. Zwar hielt sich der Rückversicherer im ersten und zweiten Jahresviertel deutlicher in der Gewinnzone als von Analysten erwartet. Doch die Schaden-Rückstellungen infolge der Pandemie summieren sich seit Beginn der Krise nun bereits auf rund 1,5 Milliarden Euro.

Das Management um Vorstandschef Joachim Wenning erwartet, dass die Unsicherheit rund um Covid-19 noch bis ins nächste Jahr anhält. Dabei hat sich der Konzern in der Krise vergleichsweise wacker geschlagen. Der ähnlich große Konkurrent Swiss Re aus der Schweiz verbuchte wegen milliardenschwerer Schäden infolge der Pandemie im ersten Halbjahr einen Nettoverlust von mehr als 1,1 Milliarden US-Dollar (936 Mio Euro).

Munich Re, das im ersten Quartal unter dem Strich 222 Millionen Euro verdient hatte, hat im Juli für das zweite Jahresviertel einen Gewinn von rund 600 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Das ist fast anderthalb Mal so viel, wie vom Unternehmen befragte Analysten im Schnitt erwartet hatten - aber auch fast 40 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Dass es nicht schlimmer kam, begründete das Unternehmen damit, dass die Großschäden abseits von Covid-19 vergleichsweise gering geblieben seien. Zudem habe die Erstversicherungstochter Ergo gut abgeschnitten. Der Großteil der pandemiebedingten Belastungen entfiel den Angaben zufolge auf den Ausfall von Großereignissen, gegen den sich die Veranstalter versichert hatten. Finanzvorstand Christoph Jurecka hatte bereits im Mai gesagt, dass die Belastung des Unternehmens allein in diesem Bereich mehr als eine Milliarde Euro erreichen könnte.

Munich Re hat das ursprüngliche Gewinnziel von 2,8 Milliarden Euro für 2020 wie viele andere Unternehmen Ende März gestrichen und seither keine neue Prognose gewagt. Jurecka hatte im allerdings im Mai gesagt, dass ihn rote Zahlen im Gesamtjahr sehr überraschen würden.

Dennoch will der Vorstand das Geld des Konzerns jetzt erst einmal zusammenhalten. Die Unsicherheit rund um die finanziellen Folgen der Coronavirus-Pandemie dürften bis Anfang 2021 nicht kleiner werden, stellte das Management klar. Zudem wittert der Konzern derzeit "ausgesprochen vorteilhafte Bedingungen für Geschäftswachstum", für das er sein Kapital einsetzen könnte. Daher blies der Rückversicherer den bereits ausgesetzten Rückkauf eigener Aktien im Umfang von bis zu einer Milliarde Euro für dieses Jahr nun endgültig ab.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Branchenexperten stehen der Munich-Re-Aktie keineswegs ablehnend gegenüber. Von den 14 im dpa-AFX Analyser erfassten Analysten raten fünf zum Kauf, die übrigen neun tendieren zum Halten. Keiner rät dazu, das Papier abzustoßen. Im Schnitt schreiben sie der Aktie ein Kursziel von rund 230 Euro zu- und liegen damit nah am jüngsten Börsenkurs. Die Spanne der Einschätzungen ist jedoch groß: Die Kursziele reichen von 185 bis 306 Euro.

Analystin Kathryn Fear von der Privatbank Berenberg hat unter den Experten das höchste Kursziel auf dem Zettel. Dabei schaut sie weniger auf die Coronavirus-Pandemie als auf die Hurrikan-Saison im Atlantik. Die Wirbelstürme können, wenn sie auf Land und möglicherweise große Städte treffen, die großen Rückversicherer viele Milliarden kosten. Die Wahrscheinlichkeit einer überdurchschnittlichen Wirbelsturmaktivität liege in diesem Jahr bei 60 Prozent, schrieb sie Ende Juli. In der Vergangenheit sei Munich Re zwar am stärksten von den Wetterunbilden betroffen gewesen. Gleichzeitig habe der Konzern diese Schäden im Branchenvergleich aber auch am besten weggesteckt.

Ihr Kollege Edward Morris von der US-Bank JPMorgan ist mit einem Kursziel von 215 Euro deutlich vorsichtiger. Die Risiken des Klimawandels seien für die europäischen Rückversicherer deutlich gestiegen, schrieb er Ende Juli. Denn zu Stürmen und Erdbeben gesellten sich zunehmend Flächenbrände und Überflutungen. Die Branche scheine diese Risiken in den vergangenen zehn Jahren unterschätzt zu haben. Die Schäden hätten die Budgets oftmals überschritten.

Von der Nachrichtenagentur Bloomberg bis Dienstag befragte Branchenexperten erwarten, dass Munich Re in diesem Jahr trotz der Corona-Krise und möglicher Hurrikan-Schäden ein Milliardengewinn gelingt. Im Schnitt rechnen sie mit einem Jahresüberschuss von 1,7 Milliarden Euro.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Aktionäre des Rückversicherers wurden von dem Börsencrash in der Corona-Krise nicht weniger stark erwischt als die Anteilseigner vieler anderer Unternehmen. Hatte eine Munich-Re-Aktie Mitte Februar mit 284,20 Euro noch den höchsten Kurs seit dem Zusammenbruch des Neuen Markts erreicht, ging es bis Mitte März um mehr als die Hälfte bis auf 141,10 Euro abwärts.

Seitdem hat sich das Papier wieder deutlich erholt. Mit Kursen um 232 Euro wird die Aktie sogar wieder rund acht Prozent höher gehandelt als vor einem Jahr. Mit Blick auf die vergangenen drei Jahre steht ein Plus von rund 25 Prozent, seit fünf Jahren sogar ein Zuwachs von mehr als einem Drittel zu Buche. Zudem konnten langjährige Aktionäre Jahr für Jahr hohe Dividenden einstreichen. Regelmäßige Aktienrückkäufe dürften den Kurs zusätzlich nach oben getrieben haben.

Mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 32 Milliarden Euro gehört Munich Re zwar unter den Dax-Konzernen nicht zu den Kleinen. Allerdings ist der Konzern damit nicht einmal halb so viel wert wie sein Nachbar in der Münchner Königinstraße, Europas größtem Versicherer Allianz. Der blaue Riese wird an der Börse mit rund 75 Milliarden Euro bewertet./stw/knd/he