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TEL AVIV (dpa-AFX) - Vor gut einem Monat hat Israel mit der Öffnung seiner Schulen begonnen, auch unter dem Druck der wirtschaftlichen Nöte in der Corona-Krise. Doch fast 130 Schulen und Kindergärten mussten nun wieder geschlossen werden - angesichts eines kontinuierlichen Neuanstiegs von Corona-Infektionen seit Ende Mai. Während zu Beginn der Krise vor allem Altersheime betroffen waren, zeichnen sich nun die Schulen als neue Infektionsherde ab.

Bei 347 Schülern und Lehrern ist bisher der Erreger Sars-CoV-2 nachgewiesen worden, mehr als die Hälfte von ihnen von Schulen in Jerusalem. Rund 17 500 Schüler und Lehrer sind in häuslicher Quarantäne. Abschlussfeiern zum Ende des Schuljahrs sollen nur noch in eingeschränkter Form stattfinden.

Mit durchschnittlich 3,1 Kindern pro Frau hat Israel die höchste Geburtenrate in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Gerade für ein so junges Land ist die Schulfrage von entscheidender Bedeutung. Etwa 2,3 Millionen der insgesamt gut neun Millionen Einwohner Israels sind Schüler.

Die Regeln im Kampf gegen die Pandemie sind streng: Sobald nur ein Schüler oder Lehrer nachweislich infiziert ist, wird sofort die ganze Schule geschlossen. Alle Schüler und die Lehrerschaft müssen in Heimquarantäne, bis sichergestellt ist, dass sie sich nicht angesteckt haben.

Im Mai hatte sich die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Israel zumeist im zweistelligen Bereich bewegt. Doch am 29. Mai stieg sie auf 113 - über die "rote Linie" von 100 Neuinfektionen am Tag, die Ministerpräsident Benjamin Netanjahu genannt hatte. Seitdem ist diese Linie mehrmals erneut überschritten worden.

Netanjahu sprach am Sonntag nach Angaben seines Büros von einem "deutlichen Anstieg in den vergangenen acht Tagen". Er sagte: "Das Virus ist hier." Am Montag werde Israels Corona-Kabinett über mögliche Maßnahmen angesichts des Neuanstiegs beraten, dies betreffe Schulen, öffentliche Verkehrsmittel und andere Bereiche.

Eine Mehrheit von 56 Prozent der aktuellen Neuinfektionen bei Schülern und Lehrern entfiel auf Jerusalem, davon wiederum drei Viertel (148 nachgewiesene Ansteckungen) auf ein einzelnes Gymnasium. Nach Medienberichten wird vermutet, dass dort ein Lehrer als "Superspreader" besonders viele andere Menschen infiziert hat.

Vielen Schülern und auch Lehrern fällt es schwer, sich im Schulalltag an die Hygienevorschriften zu halten. Nati Stern, Leiter des Gymnasiums Ironi Dalet in Tel Aviv, sagte: "Die Vorschrift, dass jeder einen ganzen Tag lang eine Maske tragen muss, ist in der Praxis nicht umzusetzen. Eine große Mehrheit der Schüler in allen Jahrgängen und Altersklassen trägt keine Maske." Viele klagten über Atembeschwerden, Konzentrationsprobleme, Kopf- und Augenschmerzen, wenn sie Mundschutz tragen müssten.

Ein Siebtklässler an einer anderen Tel Aviver Schule erzählte: Nur wer eine Maske trage, werde vom Wächter am Tor überhaupt reingelassen. "Auf dem Flur müssen alle eine Maske tragen, aber wenn man in die Klasse kommt, darf man sie abnehmen." In den Pausen sollen die Schüler zwar Mund-Nase-Schutz tragen, "aber man sieht auf dem Hof auch welche ohne", so der Zwölfjährige.

Nach dem Neuanstieg der Infektionen sind viele Schulen zu einer Mischform aus Präsenz- und Fernunterricht über den US-Videokonferenzdienst Zoom übergegangen. Auch die Reaktionen auf diese Form des Unterrichts waren durchmischt.

Im übrigen sind nicht nur Schulen vom Wiederanstieg der Fallzahlen betroffen: Nach der Infektion eines arabischen Abgeordneten im israelischen Parlament mussten sich am Samstag zum Beispiel vier weitere Knesset-Mitglieder vorsichtshalber in Heimquarantäne begeben.

Israel hatte zu Beginn der Corona-Welle sehr schnell mit rigorosen Maßnahmen reagiert, die Pandemie verlief in dem kleinen Mittelmeerland bisher relativ glimpflich. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist der Erreger Sars-CoV-2 bisher bei 17 752 Menschen in Israel nachgewiesen worden, 295 sind gestorben./le/DP/zb