Bern (awp) - Die Schweizer Wirtschaft hat schon im ersten Quartal 2020 stark unter den Folgen der Corona-Pandemie gelitten. Doch das ist erst ein Vorgeschmack auf das, was noch folgt.

Es ist der stärkste Quartals-Einbruch seit Beginn der Aufzeichnungen Anfang der Achtzigerjahre. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz schrumpfte zwischen Januar und März gegenüber dem Vorquartal um 2,6 Prozent. Selbst während der Finanzkrise vor gut zehn Jahren waren nie Einbussen von mehr als 2 Prozent verzeichnet worden.

Wegen der Pandemie sei die Wirtschaftsaktivität im März stark eingeschränkt gewesen, schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Mittwoch zu den Zahlen. Zudem habe der internationale Konjunktureinbruch die Exportwirtschaft gebremst.

Es ist für einige Branchen von Rückgängen "historischen Ausmasses" die Rede. Drastische Einbussen verzeichneten etwa das Gastgewerbe, der Handel, die Transportbranche oder der Gesundheitssektor. Letzterer bekam zu spüren, dass nicht dringende medizinische Behandlungen wegen Corona verschoben wurden.

Aufgeschlüsselt nach dem Verwendungsansatz war der private Konsum ein Hauptgrund für den BIP-Einbruch. Dieser ging wegen der Corona-Eindämmungsmassnahmen und wegen der laut Seco "grossen Unsicherheit" um 3,5 Prozent zurück. Ausserdem stoppten viele Unternehmen ihre Zukunftsprojekte, wie die rückläufigen Ausrüstungs- und Bauinvestitionen zeigen.

Auf der anderen Seite hätten lediglich die öffentliche Verwaltung und die Bankbranche das BIP gestützt. Letztere profitierte laut dem Seco von einem wachsenden Auslandgeschäft.

Stärker als erwartet

Der Einbruch des BIP war noch etwas stärker, als es Experten erwartet hatten. Die von der Nachrichtenagentur AWP befragten Experten hatten die Entwicklung zum Vorquartal bei -1,2 bis -2,5 Prozent gesehen.

Zwei Wochen "Lockdown" im ersten Quartal hätten ausgereicht, um beim BIP für einen solchen Einbruch zu sorgen, schrieben nun die Ökonomen von Raiffeisen in einer ersten Einschätzung. "Mit der Stilllegung des öffentlichen Lebens konnte der private Konsum, der mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung ausmacht, diesmal nicht seine gewöhnliche, stabilisierende Rolle übernehmen."

Und bei der Bank Vontobel heisst es: "Das stark negative erste Quartal gibt leider erst einen Vorgeschmack auf den zu erwartenden Rekord-Einbruch der Schweizer Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal." Ein Rückgang von mehr als 10 Prozent im zweiten Quartal wäre laut den Ökonomen dieses Instituts keine Überraschung.

"Keine Überraschung"

Auch beim Seco teilt man diese Einschätzung: "Das zweite Quartal wird massiv schlechter als das erste", sagte Ronald Indergand, Leiter des Ressorts Konjunktur, zu AWP. Denn der April sei wegen des Lockdowns während des gesamten Monats schlechter gewesen als der März, und im Mai und Juni werde das Niveau von Januar und Februar nicht annähernd erreicht werden.

Eine Überraschung sei das Ausmass des Einbruchs im ersten Quartal für ihn aber nicht gewesen, so Indergand. Im Gegenteil sei er eher "einen Zacken" weniger drastisch ausgefallen als befürchtet, unter anderem wegen der überraschend guten Entwicklung der Finanzbranche. "Wir gehen auf jeden Fall nicht davon aus, dass wir unsere Konjunkturprognose völlig auf den Kopf stellen müssen."

Die aktuelle Prognose des Seco geht von einem BIP-Rückgang von 6,7 Prozent im laufenden Jahr aus. Die nächste Publikation ist für Mitte Juni geplant.

Tiefpunkt Mitte April

Konkret deuteten laut Indergand erste Signale darauf hin, dass "wir den Tiefpunkt Mitte April gesehen haben". Seither habe eine breite Bodenbildung und mehrheitlich eine Trendwende stattgefunden. "Wir werden aber vermutlich auch im dritten und vierten Quartal das Vorkrisenniveau nicht erreichen", meint er.

So geht das Seco auch nicht davon aus, dass die Konsumausfälle vollständig kompensiert werden. Dafür seien die Einbussen vom März, April und Mai zu heftig gewesen. Zudem gebe es wegen der zunehmenden Arbeitslosigkeit und wegen der Kurzarbeit Einkommensausfälle, die eher noch ansteigen würden.

Und Indergand betont die Risiken, welche trotz der sich abzeichnenden Erholung vorhanden seien. Diese reichten von einer zweiten Corona-Infektionswelle über Konkurswellen bis hin zu staatlichen Verschuldungskrisen. "Leider zeigen die allermeisten Prognose-Risiken nach wie vor abwärts", so Indergand.

rw/uh