Zürich (awp) - Weil die meisten Läden im April geschlossen waren, sind die Umsätze der Schweizer Detailhändler in diesem Monat eingebrochen. Seit der Wiedereröffnung der Fachgeschäfte im Mai gibt es nun wieder eine deutliche Erholung. Doch wie nachhaltig diese sein wird, zeigt sich gemäss Experten erst im Juni.

Wegen der Coronakrise sanken die Umsätze im gesamten Schweizer Detailhandel im April um rund ein Fünftel, wie die am Dienstag veröffentlichten Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) zeigen. Nominal betrug der Rückgang 20,6 Prozent. Auch gegenüber dem Vormonat März gab es einen Rückgang um 14,8 Prozent.

Während die Hamsterkäufe von Herrn und Frau Schweizer den Lebensmittelläden ein nominales Umsatzwachstum um 4 Prozent bescherten, waren die Non-Food-Läden die grossen Verlierer. Hier sackten die Umsätze um 41 Prozent ab. Am stärksten traf es den Bereich "sonstige Güter", der Bekleidung, Apotheken, Uhren und Schmuck umfasst, deren Umsatz um fast 60 Prozent abstürzte.

Für Dagmar Jenni, Geschäftsführerin des Verbands Swiss Retail, sind die Zahlen wenig überraschend. Sie seien kohärent mit den Werten, die die Mitglieder des Verbands verzeichnet hätten. Grosse und kleine Läden hätten dabei gleichermassen gelitten, ganz besonders im Non-Food-Bereich, sagte Jenni im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP.

Die Migros beispielsweise musste zahlreiche Läden schliessen, darunter Fachgeschäfte wie beispielsweise die Melectronics-Filialen oder die Obi-Heimwerkermärkte. Über Online-Verkäufe konnte zwar ein Teil des weggefallenen Geschäfts abgefedert werden, sagte Migros-Sprecher Marcel Schlatter: "Das Online-Geschäft verzehnfachte sich in dieser Zeit, doch konnte dies die Umsatzverluste aus dem stationären Bereich niemals auffangen."

Kauflust im Mai

Nach der Öffnung der Fachgeschäfte am 11. Mai waren die Zahlen allerdings wieder erfreulich. "Seit der Wiedereröffnung unserer Fachmärkte (SportXX, Melectronics, Micasa, Do it + Garden, Obi) verzeichnen wir sehr hohe Umsätze", sagte Schlatter. Es gebe eindeutigen Nachholbedarf.

Gleich klingt es aus den Reihen des Konkurrenten Coop. Auch dort ist man seit der Wiedereröffnung am 11. Mai "gut unterwegs", wie Sprecher Patrick Häfliger sagte. Saisonbedingt profitierten vor allem die Coop Bau+Hobby Märkte vom Nachholbedarf der Konsumenten.

Auch der Verband Swiss Retail verzeichnete in den ersten beiden Wochen nach der Wiedereröffnung eine deutliche Besserung gegenüber April. Viele Detailhändler hätten sogar im Vorjahresvergleich beim Umsatz zulegen können, sagte Dagmar Jenni. Etwa ein Drittel der Geschäfte verzeichnete ein Umsatzwachstum um rund 20 Prozent und ein weiteres Drittel um etwa 50 Prozent.

Allerdings müssten diese Zahlen relativiert werden, sagte Jenni: "Es gab so etwas wie einen Investitionsstau, weil man de facto während etwa zwei Monaten nichts kaufen konnte." Während dieser Zeit hätten sich die Konsumenten Gedanken über ihren künftigen Konsum gemacht. Das führte dazu, dass viele nach der Öffnung direkt in die Geschäfte stürmten.

Der Mai sei aber auch aus anderen Gründen noch nicht wieder mit "normalen" Monaten vergleichbar. Die Läden hätten nicht gleich viele Kunden wie sonst. Einerseits liege dies an den Mindestabständen und der damit verbundenen beschränkten Kundenzahl, andererseits sei ein Grund die fehlende Laufkundschaft. Denn viele Firmen empfehlen noch immer Homeoffice. "Wir haben nach wie vor noch nicht die normale Mobilität, die wir vor einem Jahr hatten", sagte Jenni.

Im Juni Normalisierung erwartet

Ausschlaggebend sei deshalb, wie sich der Juni entwickle. Dann würden nämlich gemäss Jenni solche Effekte wieder weniger stark mitspielen. Damit rechnet auch Detailhandelsexperte Gotthard Wangler: "Ich gehe davon aus, dass die Umsätze im Detailhandel im Juni wieder auf Vorjahresniveau sein werden. Es wird wieder Normalität einkehren."

Laut der Migros dürften bei der Umsatzentwicklung im Detailhandel vor allem auch die Grenzöffnungen ab Mitte Monate einen merklichen Einfluss haben.

"Wir gehen davon aus, dass ein guter Teil der Kunden, die bislang im Ausland eingekauft haben, wieder in diese alten Einkaufsmuster zurückfallen werden", sagte Jenni. Dann dürften somit viele Deutschschweizer wieder im grenznahen Deutschland einkaufen.

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