- von Dhara Ranasinghe und Karin Strohecker und Christian Krämer

Mindestens 15 Billionen Dollar - also 15.000 Milliarden - haben Notenbanken und Regierungen rund um den Globus als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie schon locker gemacht.

Das ist mehr als die jährliche Wirtschaftsleistung Chinas. Trotzdem droht der Weltwirtschaft die schwerste Rezession seit 1930. Zur Stabilisierung der Märkte werden unzählige Wertpapiere von den Zentralbanken aufgekauft, Regierungen und Förderbanken helfen mit Krediten, Garantien und Staatsbeteiligungen. Doch in den immensen Summen könnte bereits die nächste Krise angelegt sein - eine zu hohe Schuldenlast für viele Staaten, vor allem in ärmeren Regionen der Welt. Ein Überblick:

STEIGT DIE GLOBALE VERSCHULDUNG SCHON LÄNGER?

Ja - und nicht zu knapp. Nach der globalen Finanzkrise von 2008 und 2009 ging es deutlich nach oben. Nach Schätzungen des Instituts für internationale Finanzen (IIF) ist der weltweite Schuldenstand seit 2007 um kaum vorstellbare 87 Billionen Dollar gestiegen. Der Löwenanteil mit 70 Billionen Dollar entfällt dabei auf Regierungen. Allein in diesem Jahr dürften die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung auf 342 Prozent zulegen - 20 Punkte mehr als 2019. Zur Erinnerung: In der EU gilt eigentlich eine Obergrenze für die Schuldenquote von 60 Prozent, die aber viele Länder schon lange nicht mehr einhalten.

WIE IST DIE LAGE IN DEUTSCHLAND?

Wesentlich besser, weswegen Deutschland auch eines der größten Rettungspakete für die Wirtschaft auflegen konnte. Viele Ökonomen erwarten, dass andere Staaten die Krise deutlich stärker und länger spüren werden. Deutschland hatte 2019 die Schuldenquote erstmals seit 2002 wieder knapp unter 60 Prozent gedrückt. Jetzt dürfte es laut Finanzminister Olaf Scholz Richtung 75 Prozent gehen, womöglich etwas mehr. Das liegt aber noch unter dem Niveau nach der Finanzkrise, wird Scholz nicht müde zu betonen. Insofern könne sich Deutschland die jetzigen Extra-Ausgaben leisten.

WIE SIEHT ES IN ANDEREN EUROPÄISCHEN LÄNDERN AUS?

Deutlich schlechter. Beispiel Italien, das besonders stark von der Pandemie getroffen wurde: Hier wird die Schuldenquote vermutlich um 35 Punkte auf rund 170 Prozent klettern, wie Kevin Thozet vom Vermögensverwalter Carmignac vorrechnet. "So ein Niveau ist nicht auf Dauer tragfähig, also braucht es entweder ein stärkeres Wirtschaftswachstum oder eine Vergemeinschaftung von Schulden."

Ersteres ist aber derzeit in Italien nicht in Sicht und letzteres nicht in Europa - auch wenn Frankreich und Deutschland gerade einen 500 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds für die EU vorgeschlagen haben. Ifo-Präsident Clemens Fuest sagt, wichtig sei, dass die Schuldenfinanzierung des Fonds einmalig sei und mit einem Tilgungsplan einhergehe. "Mit der Tilgung sollte man beginnen, nachdem die wirtschaftliche Erholung erreicht ist. Nach der notwendigen Ausweitung der Staatsschulden in der Coronakrise muss eine glaubwürdige Perspektive zur Rückführung der Verschuldungsquoten in Europa bestehen."

SIND DIE HOHEN SCHULDEN WIRKLICH NICHT TRAGFÄHIG?

So leicht ist das nicht, weil die Zinsen seit Jahren extrem niedrig sind - in der Euro-Zone, den USA und Japan etwa bei null oder nahe null Prozent liegen. Das sei der Schlüssel, um die Zinsbelastungen im Rahmen zu halten, sagt Eric Brard, der das Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren beim Vermögensverwalter Amundi leitet. Er erwartet hier keine großen Änderungen in näherer Zukunft. Japan profitiert davon seit längerem und kann auch mit einer Schuldenquote von über 200 Prozent noch leben. Italien habe dagegen weniger davon profitiert, sagt Carmignac-Experte Thozet. Die Regierung in Rom muss Investoren an der Börse mit höheren Renditen locken - ein Zeichen für ein größeres Risiko.

IN WELCHEN LÄNDERN DROHT UNGEMACH?

Der Vermögensverwalter Pictet hat zum Jahresende 2019 die Schuldentragfähigkeit zahlreicher Länder genau unter die Lupe genommen - also noch vor der Krise. Von den Industriestaaten schneidet Griechenland am schlechtesten ab - gefolgt von Italien, Japan, Belgien und Großbritannien. Bei den Schwellenländern gibt es Probleme in der Türkei, Südafrika und Brasilien - Staaten, in denen sich das Wirtschaftswachstum zuletzt verlangsamt hatte, die aber vergleichsweise hohe Zinssätze aufweisen.