Die Furcht vor neuerlichen Spannungen zwischen den USA und China hat am Freitag die Kauflaune an den europäischen Aktienmärkten getrübt.

Für Ernüchterung sorgte eine US-Entscheidung, den chinesischen Netzwerkausrüster und Smartphone-Hersteller Huawei von der Belieferung mit US-Chips abzuschneiden. Zuvor schon hatte US-Präsident Donald Trump sogar einen Abbruch der Beziehungen zu China nicht ausgeschlossen.

Der Dax schloss 1,2 Prozent fester bei 10.465,17 Punkten, nachdem er im Handelsverlauf bis auf 10.547 Zähler gestiegen war. Auf Wochensicht bleibt damit ein Minus von vier Prozent. Der EuroStoxx50 ging 0,3 Prozent im Plus bei 2768,11 Zählern aus dem Handel, das entspricht einem Wochenverlust von 4,8 Prozent. In den USA lagen die Kurse im Minus. Es bestehe die Sorge, dass ein neu aufflammender Handelsstreit eine noch tiefere Wirtschaftskrise auslösen könnte als die Coronavirus-Pandemie, sagte Art Hogan, Chefstratege beim US-Finanzdienstleister National Securities. Gefragt war die "Krisen-Währung" Gold, die ein Prozent auf 1746,29 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) stieg und den höchsten Kurs seit November 2012 markierte.

Die Wirtschaft bricht wegen der Pandemie derzeit weltweit ein. Allein im ersten Quartal sackte das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 2,2 Prozent ab - die scharfen Regelungen, um Kontakte zu reduzieren und so die Ausbreitung des Erregers zu bremsen, traten in der zweiten Märzhälfte in Kraft. "Wenn ein halber Monat ausreicht, eine derart gute wirtschaftliche Entwicklung in den ersten beiden Monaten zu pulverisieren, dann kann man sich ohne viel Fantasie ausmalen, wie schlimm das zweite Quartal werden wird", sagte DekaBank-Experte Andreas Scheuerle. "Die blutige Nase holen wir uns noch."

CHINAS INDUSTRIEPRODUKTION HUI - EINZELHANDELSUMSATZ PFUI

In China, wo die Coronavirus-Restriktionen bereits deutlich zurückgeschraubt wurden, wuchs die Industrieproduktion dagegen im April um 36,9 Prozent - mehr als doppelt so stark wie erwartet. Ein Wermutstropfen sei allerdings die maue Kauflaune der Chinesen wegen der Pandemie, sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. "Das ist ein Phänomen, das wir wahrscheinlich in den kommenden Monaten auch in Europa und den USA sehen werden." Auch in den USA brachen die Einzelhandelsumsätze im April stärker ein als erwartet.

Am Öl-Markt konzentrierten sich Anleger allerdings auf die positiven Aspekte. Die Nordsee-Sorte Brent verteuerte sich um bis zu 4,4 Prozent auf 32,50 Dollar je Barrel (159 Liter). Sie profitiere außerdem vom schrumpfenden Überangebot durch die gedrosselte Förderung in zahlreichen Exportstaaten, schrieben die Analysten der Bank ING.

PFUND LEIDET UNTER BREXIT-STILLSTAND

Das Pfund gab nach dem Abschluss der jüngsten Brexit-Verhandlungsrunde mit der Europäischen Union nach. Die britische Währung notierte 0,9 Prozent schwächer bei 1,1208 Euro beziehungsweise 1,2118 Dollar und damit auf dem niedrigsten Stand seit rund sieben Wochen. Der britische Chef-Unterhändler David Frost sagte, er bedauere, dass es kaum Fortschritte bei einem Abkommen über die künftigen Beziehungen seines Landes mit der EU gegeben habe. Er forderte die EU zu Zugeständnissen auf. Der EU-Chefunterhändler Michel Barnier warf der britischen Seite eine Verweigerungshaltung vor.

WIRECARD UNTER DRUCK - BT IM AUFWIND

Schlusslicht im Dax waren die Wirecard-Aktien, die 7,6 Prozent schwächer aus dem Handel gingen. Sie litten unter der Geschäftsaufgabe des Partners Al Alam in Dubai: Das Unternehmen reagierte damit nach Wirecard-Angaben auf die entstandenen Reputationsschäden durch die öffentliche Hinterfragung seiner Integrität. Wirecard sieht sich seit Jahren immer wieder Vorwürfen der falschen Bilanzierung vor allem bei Auslandstöchtern gegenüber, die der Konzern zurückweist.

Zu den größten Gewinnern am deutschen Aktienmarkt zählte Varta mit einem Kursplus von 12,3 Prozent. Das ist der größte Kurssprung seit einem knappen Dreivierteljahr. Der Batterie-Hersteller steigerte dank eines Zukaufs Umsatz und Gewinn kräftig. "Ein sehr gutes Quartalsergebnis und bislang sind keine negativen Effekte der Coronavirus-Pandemie erkennbar", sagte ein Börsianer.

In London verhalf ein Zeitungsbericht über einen möglichen milliardenschweren Teilverkauf des Breitband-Netzwerks Openreach dem größten britischen Telekomkonzern BT zu einem Kursplus von 5,4 Prozent. Er glaube zwar nicht, dass eine Entscheidung unmittelbar bevorstehe, schrieb Analyst Jerry Dellis von der Investmentbank Jefferies. Bemerkenswert sei aber die ins Gespräch gebrachte Bewertung von Openreach von umgerechnet 23 Milliarden Euro. Der BT-Aktienkurs signalisiere lediglich einen etwa halb so hohen Wert.