BERLIN (dpa-AFX) - Eine breite Allianz von Verbänden hat den Ländern bei den geplanten neuen Regeln für das Glücksspiel drastische Defizite beim Spielerschutz vorgeworfen. Wirtschaftliche Interessen und Staatseinnahmen aus dem Glücksspiel stellten nachvollziehbare Motive dar, dürften aber nicht auf Kosten von Einzelschicksalen und des Gemeinwohls erfolgen, heißt es in einem Brief an die Länderchefs. Darin fordern der Fachbeirat Glücksspielsucht sowie weitere 20 Verbände, den Prozess zur Reform des Glücksspielstaatsvertrags vorerst zu stoppen. Auch Vertreter der Glücksspielbranche setzten sich für Nachbesserungen ein.

Die Ministerpräsidenten wollen bei ihrem Treffen am Donnerstag in Berlin einem neuen Glücksspielstaatsvertrag grundsätzlich zustimmen. Ein Entwurf sieht vor, bisher illegale Glücksspiele im Internet wie Online-Poker oder Online-Casinos künftig zu erlauben. Geplant sind aber Regeln zum Spielerschutz. Vorgesehen ist auch eine neue zentrale Glücksspielbehörde. Der neue Staatsvertrag muss im Falle einer Zustimmung der Länderchefs noch von den einzelnen Landesparlamenten ratifiziert werden und soll am 1. Juli 2021 in Kraft treten.

Die Fachgesellschaften kritisieren in dem Brief einen "intransparenten Prozess" bei der Entstehung des Entwurfs und eine mangelnde wissenschaftliche Untermauerung. Es gebe drastische Defizite in Prävention und Spielerschutz. Eine Erlaubniserteilung für das Online-Glücksspiel widerspreche der wissenschaftlichen Evidenz, welche eine besondere Gefährdung durch Online-Angebote nachweise. Eine insgesamt erhöhte und besonders einfache Verfügbarkeit führe zu neuen Risiken der Suchtentwicklung, -aufrechterhaltung und Rückfallgefährdung. Vorgeschlagene Regulierungen des Spielerschutzes griffen nicht oder zu kurz. So ermögliche eine Obergrenze von 1000 Euro verspielten Geldes im Monat nur für Online-Glücksspiele ein "exzessives Spielverhalten", das mit einer massiven Suchtgefährdung einhergehe.

Die Länderchefs werden in dem Brief gebeten, den jetzigen Prozess auszusetzen und den noch gültigen Staatsvertrag zu verlängern. Zunächst solle eine gemeinsame Glücksspielbehörde aufgebaut und parallel ein aus der Perspektive des Spielerschutzes verbesserter Entwurf entwickelt werden - in Zusammenarbeit mit Fachleuten und Betroffenen. Der Brief ist unterzeichnet vom Fachbeirat Glücksspielsucht - einer unabhängigen Einrichtung zur Beratung der Länder - sowie etwa von der Caritas Suchthilfe, dem Bundesverband der Suchthilfeeinrichtungen und der Deutschen Suchtgesellschaft.

Der Sprecher des Vorstandes der Deutschen Automatenwirtschaft, Georg Stecker, sagte der dpa: "Dass bei der Regulierung des Automatenspiels erstmals Qualitätskriterien zum Zuge kommen, ist eine gute Nachricht für den Spielerschutz." Entscheidend sei nun, dass die Länder von ihren Kompetenzen Gebrauch machten und bei der Umsetzung des Staatsvertrages den eingeschlagenen Weg der qualitativen Regulierung weiterverfolgten. Angesichts der Legalisierung von Online-Casinos seien Mindestabstände bei Spielhallen absurder denn je.

Daniel Henzgen, Mitglied der Geschäftsleitung des Glücksspielanbieters Löwen Entertainment, sagte der dpa, es sei gut, dass durch eine Öffnung des Marktes für Onlineglücksspiel nun auch legale, in Deutschland Steuern zahlende Unternehmen an diesem Wachstumsmarkt teilhaben dürften. Konsumenten würden aber durch Restriktionen gegängelt. "Ein wirksamer Spieler- und Jugendschutz ist nur möglich mit attraktiven, legalen Produkten und Dienstleistungen und strengen Qualitätsanforderungen an die Betreiber von Glücksspielangeboten."/hoe/DP/zb