PLANEGG/MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Wirkstoffforscher und Antikörperspezialist Morphosys macht bei der Etablierung seines Hoffnungsträgers Tafasitamab in den USA weitere Fortschritte. Für bestimmte Patienten und unter speziellen Voraussetzungen ist das Blutkrebs-Mittel dort mittlerweile zugänglich, die offizielle Zulassung wird bis Mitte des Jahres erwartet. Ein Partner für die Vermarktung ist ebenfalls gefunden. Wo Experten jetzt noch Risiken sehen, wie es um das Geschäft steht und was die Aktie macht:

DAS IST LOS BEI MORPHOSYS:

In der Gemeinde Planegg im Landkreis München arbeitet Morphosys seit einiger Zeit emsig daran, vom bloßen Forschungsdienstleister zu einem "echten" Pharmahersteller aufzusteigen. Neben Kooperationen mit Partnern aus der Branche liegt der Fokus zunehmend auf der hauseigenen Entwicklung und Vermarktung von Medikamenten.

Das erste dafür vorgesehene Flaggschiff trägt den Namen Tafasitamab und soll zunächst in Kombination mit dem Wirkstoff Lenalidomid bei der Behandlung von Blutkrebs zum Einsatz kommen. In den USA hat Morphosys dafür schon einige Hürden genommen: So durfte das Unternehmen Anfang Februar ein sogenanntes Expanded-Access-Program für den Antikörper starten. Damit wird er bestimmten Patienten unter speziellen Voraussetzungen auch ohne die ausstehende Zulassung zugänglich gemacht. Die FDA prüft das Mittel bereits vorrangig und will bis zum 30. August zu einer Entscheidung kommen. Bis dahin will Morphosys auch in Europa die Zulassung beantragt haben.

Neben solchen regulatorischen Fragen steht auch der US-Vertrieb für Tafasitamab unter besonderer Beobachtung. Zwar verspricht sich Morphosys in den USA besonders viel von seinem Mittel - 2018 haben nach Angaben des Unternehmens 10 000 Patienten die Kriterien für eine Behandlung erfüllt. Weil der Wettbewerb in der Biotech-Branche aber hart ist und etwa das Schwergewicht Roche mit einem ähnlichen Wirkstoff aufwartet, fürchten Experten, dass die neue Vertriebstochter nicht schnell genug mit der Bekanntmachung ihres Antikörpers bei Ärzten hinterherkommen könnte.

Um der Sache auf die Sprünge zu helfen, hat sich Morphosys das US-Biopharmaunternehmen Incyte als Partner an Bord geholt. In den USA wollen die beiden Tafasitamab gemeinsam vermarkten. Außerhalb der USA bekommt Incyte exklusive Vermarktungsrechte, wobei Morphosys am Umsatz beteiligt wird. Dazu erhalten die Münchner von Incyte eine Vorauszahlung von 750 Millionen US-Dollar (673 Mio Euro) und unter bestimmten Bedingungen auch Meilensteinzahlungen von bis zu 1,1 Milliarden Dollar. Außerdem investiert Incyte 150 Millionen Dollar in US-Anteilsscheine von Morphosys. Die Genehmigung für den Deal haben die Unternehmen jetzt in der Tasche.

Am 18. März steht neben all dem noch die Bilanzvorlage für das abgelaufene Geschäftsjahr an. Das Management um Vorstandschef Jean-Paul Kress hatte sich für 2019 zuletzt Umsatzerlöse im oberen Bereich von 65 bis 72 Millionen Euro vorgenommen. 2018 hatten sie bei 76,4 Millionen gelegen. Der Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) könnte sich der Prognose zufolge im schlimmsten Fall nahezu verdoppeln.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Unter Branchenexperten herrscht weitgehend Einigkeit über den künftigen Erfolg von Morphosys. Mit neun Stimmen empfiehlt eine deutliche Mehrheit der bei Bloomberg und dpa-AFX seit Jahresbeginn erfassten Analysten die Aktie derzeit zum Kauf. Zwei Experten würden das Papier halten und nur einer verkaufen.

Das durchschnittliche Kursziel liegt derzeit fast 40 Prozent über dem Niveau der vergangenen Tage. Allerdings waren die Aktienmärkte zuletzt wegen der Sorgen um die Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus weltweit eingeknickt. Noch kurz vorher hatte das Papier nach einer längeren und recht holprigen Rally mit 146,30 Euro einen Preis erreicht, zu dem es zuletzt im Jahr 2000 gekommen war und der deutlich über dem Durchschnitts-Ziel der Analysten lag.

Abgesehen davon kamen die jüngsten Entwicklungen rund um Tafasitamab bei Experten gut an. Das Expanded-Access-Program schlage die Brücke von der offiziellen Zulassung des Mittels zur kommerziellen Nutzung, schrieb Berenberg-Analystin Shanshan Xu Anfang Februar. Damit dürfte das Interesse sowohl von Ärzten als auch von Patienten an dem Antikörper geweckt werden. Auch mit Blick auf die Incyte-Kooperation sehe es danach aus, dass Morphosys mittlerweile gut für die Einführung des Mittels in den USA vorbereitet sei.

Etwas vorsichtiger äußerte sich Barclays-Analyst Emmanuel Papadakis. Morphosys dürfte in den kommenden zwölf Monaten kaum aus der europäischen Pharmabranche herausstechen, schrieb der Experte Anfang Februar. Bedenken hat er vor allem wegen des hohen Wettbewerbsdrucks und Unklarheiten hinsichtlich der künftigen Wachstumstreiber in der Wirkstoff-Pipeline. Auch angesichts der Errichtung einer US-Vertriebsorganisation dürfte es in den kommenden Jahren laut Papadakis mit der Profitabilität schwierig werden.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Seit Mitte 2016 zeigt sich bei der im MDax notierten Aktie ein deutlicher Trend nach oben. Dabei büßte sie immer mal wieder einen Teil ihrer Gewinne ein - so im Sommer 2018, als Morphosys infolge einer beendeten Kooperation mit Novartis die Umsätze wegbrachen. Eine kurz darauf eingetretene allgemeine Börsenschwäche tat ihr Übriges.

In ungleichmäßigen Zügen hangelte sich der Kurs später aber weiter aufwärts. Im vergangenen Jahr legte die Aktie um fast 43 Prozent zu, der MDax schaffte es im gleichen Zeitraum auf ein Plus von gut 31 Prozent. Auch die europaweite Pharmabranche konnte Morphosys mit seinem Kursanstieg 2019 übertreffen. Der den Sektor umfassende Index Stoxx 600 Health Care kletterte um gut 28 Prozent.

Mit zuletzt knapp 100 Euro notieren die Papiere zwar ein gutes Stück unter ihrem Mehrjahreshoch von 146,30 Euro aus dem Januar, seit dem Zwischentief 2016 haben sie ihren Wert aber immer noch mehr als verdreifacht. Seit dem Rekordtief nach dem Platzen der Dotcom-Blase Anfang des Jahrtausends haben sie sogar um ein Zigfaches zugelegt. Damals war der Kurs aber auch von rund 148 Euro ausgehend auf rund eineinhalb Euro abgestürzt./kro/mis/stw/fba