Allein seit Wochenauftakt sank der Wert der Unternehmen an den Börsen um fast sechs Billionen Dollar. Eine Beruhigung ist vorerst nicht in Sicht. "Die Investoren versuchen, sich auf das Schlimmste einzustellen", sagte John Lau, Aktienexperte beim Finanzdienstleister SEI Investments. "Das sind höchst unsichere Zeiten, keiner kennt die Antwort, und die Märkte sind in Panik."

Der Dax schloss am Freitag 3,9 Prozent im Minus bei 11.890,35 Punkten - zwischenzeitlich hatte er noch rund 170 Stellen tiefer gelegen. Der EuroStoxx50 verlor 3,9 Prozent auf 3322,55 Zähler. Seit Wochenauftakt haben beide Barometer mehr als Prozent an Wert verloren. "Innerhalb weniger Tage wurden die Kursgewinne der vergangenen Wochen und Monate pulverisiert", sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. Vor eineinhalb Wochen hatte der Dax mit 13.795 Zählern noch ein Rekordhoch markiert.

Auch in den USA brachen die Kurse ein. Der Dow verlor zeitweise mehr als 1000 Punkte, grenzte später aber seine Verluste wieder etwas ein. "Die Börse preist gerade einen Tsunami an Gewinnwarnungen aus den Unternehmen ein", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. Kurzfristig könne es noch weiter nach unten gehen, schrieben die Experten der Helaba. Die Sorglosigkeit der vergangenen Wochen sei in Panik umgeschlagen. Für mittelfristig orientierte Anleger böten die derzeitigen Kursrückgänge aber die Gelegenheit, wieder Positionen aufzubauen. "Es ist verlockend anzunehmen, dass mit dem wärmeren Wetter und der abnehmenden Virus-Angst die Märkte zur Normalität zurückkehren", sagte Mark Dowding, Chefinvestor bei der Fondsgesellschaft BlueBay. "Die Panik kann noch für einige Zeit anhalten, aber das Comeback der Wirtschaft könnte stark ausfallen, wenn genau mit dem Frühling auch die unterstützenden Maßnahmen der Politik greifen."

GELDSPRITZEN ALS HEILMITTEL FÜR CORONAVIRUS-FOLGEN

Dabei hoffen die Anleger auch auf die Notenbanken als Retter in der Not. "Die Märkte preisen nun mindestens zwei Zinssenkungen der Fed ein", sagte Seema Shah, Chef-Anlagestrategin des Vermögensverwalters Principal Global Investors. Einige Börsianer halten schon im März einen Schritt nach unten für möglich. Das spiegelte sich auch im Dollar-Kurs wider: Zu einem Währungskorb fiel der Greenback auf den niedrigsten Stand seit gut drei Wochen.

ROHSTOFFE UNTER DRUCK - STAATSANLEIHEN GEFRAGT

Am Rohstoffmarkt dominierte aber die Furcht vor einer schwindenden Nachfrage, weil wegen des Coronavirus Reisen gestrichen werden und Fabriken stillstehen. Der Preis für die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee fiel um bis zu 4,1 Prozent und war mit 50,05 Dollar je Barrel (159 Liter) so niedrig wie zuletzt vor mehr als einem Jahr. Leichtes US-Öl kostete mit 43,85 Dollar 6,9 Prozent weniger. Das wichtige Industriemetall Kupfer verbilligte sich in der Spitze um 1,5 Prozent auf 5533 Dollar je Tonne. Die massiven Verkäufe am Aktienmarkt hinterließen Spuren bei den Edelmetallpreisen. Gold verbilligte sich um bis zu vier Prozent auf 1576,06 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Der Preis für Palladium stürzte sogar um 12,7 Prozent auf 2484,50 Dollar je Feinunze ab. Investoren lösten ihre Goldbestände auf, um Verluste in anderen Märkten auszugleichen und Liquidität zu schaffen, sagte Alexander Zumpfe, Händler beim Goldhandelshaus Heraeus.

Stattdessen flüchteten Anleger in andere "sichere Häfen" wie Staatsanleihen. Dies drückte die Rendite der zehnjährigen US-Bonds auf bis zu 1,145 Prozent. Das ist der fünfte Tag in Folge mit einem Rekordtief. Ihre deutschen Pendantsrentieren mit minus 0,627 Prozent auf einem Fünf-Monats-Tief.

FLUGGESELLSCHAFTEN LEIDEN

Zu den Hauptleidtragenden der Coronavirus-Epidemie gehören wegen zahlreicher Reisebeschränkungen und abgesagter Groß-Ereignisse die Airlines. Der Branchenindex brach binnen Wochenfrist zeitweise um rund 19 Prozent ein, das ist der größte Wochenverlust seit 2001, als der Anschlag auf das World Trade Center die Welt erschütterte. Zahlreiche Firmen wie die British-Airways-Mutter IAG und der Billig-Flieger EasyJet stemmen sich mit Sparprogrammen gegen die Virus-Folgen. Ihre Aktien brachen dennoch teils um mehr als zehn Prozent ein.

Zeitweise um 2,5 Prozent im Plus lagen die VW-Aktien. Mit dem Vergleich zur Entschädigung Hunderttausender Dieselbesitzer hat das Unternehmen eine wichtige Hürde genommen, um im Rennen mit Tesla um die Führung in der Elektromobilität durchzustarten. 2019 schafften die Wolfsburger einen Gewinn von 13,3 Milliarden Euro - 12,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Aktionäre sollen nun eine um 1,7 Euro erhöhte Dividende erhalten.

Aufwärts ging es für Unternehmen, die von der Virus-Verbreitung profitieren dürften - wie den Atemschutzmasken-Hersteller Drägerwerk und den Anbieter von Homeoffice-Lösungen Teamviewer. Ihre Papiere legten in der Spitze um gut acht beziehungsweise fast 14 Prozent zu.