FRANKFURT (dpa-AFX) - In der neuen Woche dürfte eine klare Richtungsfindung für Anleger mal wieder der Quadratur des Kreises gleichkommen. Weiter offene Fragen in puncto Handelskrieg und bald anstehende Neuwahlen in Großbritannien sprechen weniger für ein neues Jahreshoch und mehr für größere Schwankungen. Zudem dürfte die Unsicherheit über den Fortbestand der Großen Koalition in Berlin steigen, nachdem die SPD-Mitglieder laut dem am Samstag veröffentlichten Ergebnis der Urabstimmung die GroKo-Kritiker Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als neue SPD-Vorsitzende gewählt haben. Auch wenn der Dezember generell ein guter Börsenmonat ist, sieht Marktexperte Milan Cutkovic vom Online-Broker AxiTrader ein erfolgreiches Ende des bislang starken Börsenjahres 2019 somit "bei weitem nicht garantiert".

Sein in der Vorwoche erreichtes Jahreshoch von 13 374 Punkten konnte der Leitindex in den vergangenen Tagen nicht mehr übertrumpfen. Das bislang erzielte Jahresplus von mehr als einem Viertel liegt dennoch teils deutlich über den Schätzungen mancher Banken von vor einem Jahr. So rechnete etwa die BayernLB mit einem Endpunktestand von gerade mal 11 500 Punkten, während die Deutsche Bank 12 300 Punkte und die Commerzbank 12 500 Zähler prognostizierten. Dem bisherigen Stand von rund 13 270 Punkten kamen da die Experten der Helaba und der DZ Bank schon deutlich näher, die 13 200, beziehungsweise 13 300 erwarteten.

Seit Anfang November ist allerdings auch nicht mehr viel im Dax passiert. Diese Seitwärtsbewegung könnte der Leitindex zum einen nutzen, um neue Kraft zu sammeln, hieß es in einem Kommentar von Chartanalysten der schweizerischen Großbank UBS. Wenn es gut laufe, könne er damit den derzeitigen Widerstand bei 13 300 bis 13 350 Punkten knacken und den bisherigen Höchststand bei 13 596 Punkten von Januar 2018 anvisieren. Im schlechteren Fall könnte es aber auch wieder auf die runde Marke von 13 000 Punkt zugehen, womit sich die Lage im größeren Bild eintrüben und ein längerer Kursrückgang wahrscheinlich werden würde.

Optimisten machen ihre Hoffnungen auf eine Jahresendrally dieser Tage wieder unter anderem am "Black Friday", "Cyber Monday" und überhaupt an der beginnenden weihnachtlichen Konsumfreude fest. Demgegenüber stehen weiter ungeklärte politische Fragen, die in den vergangenen Monaten regelmäßig ihre Spuren an der Börse hinterlassen haben. So wird in Großbritannien am 12. Dezember zum dritten Mal seit Mitte 2015 ein neues Parlament gewählt. Damit wird sich zeigen, wie es beim Dauerthema Brexit weitergeht. Aktuellen Umfragen zufolge könnten die Tories des britischen Premiers Boris Johnson eine Mehrheit erreichen und so die Austrittspläne aus der EU bis zum 31. Januar 2020 umsetzen.

Gleichzeitig haben sich die Aussichten auf ein Handelsabkommen zwischen China und den USA ("Phase 1 Deal") zuletzt wieder eingetrübt. Beide Seiten seien bislang nicht bereit, in sensiblen Bereichen nachzugeben, analysierte Volkswirt Bernd Weidensteiner von der Commerzbank die Lage.

So seien zum einen die USA nicht bereit, die verhängten Zusatzzölle wieder zurückzuschrauben, was nach Angaben staatlicher chinesischer Medien eine zentrale Voraussetzung für den Abschluss eines Phase-1-Abkommen sei. Auf der anderen Seite scheine sich China nicht auf feste Abnahmemengen landwirtschaftlicher Produkte aus den USA festlegen zu wollen, schrieb Weidensteiner, was wiederum für Donald Trump in Anbetracht der kommenden Präsidentschaftswahlen wichtig sei.

Vor dem Hintergrund macht es laut Marktexperte Andreas Lipkow von der Comdirect Bank denn erst mal auch keinen Sinn, kurzfristig in Aktionismus zu verfallen. "Viel mehr richten sich die Augenpaare bereits auf den letzten Handelsmonat und das bevorstehende 'Window-Dressing'."

Damit meint der Experte eine häufig zum Jahresende auftretende Entwicklung, in der Vermögensverwalter ihr Portfolio mit gut gelaufenen Aktien aufhübschen, damit die eigene Expertise unterstrichen werden kann. Schlecht gelaufene Aktien werden im Gegenzug häufig noch schnell verkauft und Fehlgriffe der vergangenen Monate damit “unter den Teppich gekehrt”. Oft wird hier von “Portfolio-Kosmetik” gesprochen.

Bisherige Dax-Gewinner, zu denen unter anderem Adidas, MTU und RWE zählen, könnten somit weiter gefragt sein. Zu den seit Jahresbeginn größten Verlierern zählen dagegen die Deutsche Lufthansa, Wirecard und die Deutsche Bank.

Nach der ausgelaufenen Berichtssaison dürften Unternehmenszahlen in den kommenden Tagen aber zunächst keine allzu große Rolle spielen. Zur Wochenmitte wird Siemens im Rahmen seines Geschäftsberichts zwar eine finale Bilanz vom abgelaufenen Geschäftsjahr ziehen. Die Ergebnisse aus dem vierten Quartal sowie den Ausblick auf das kommende Jahr hatte der Konzern jedoch schon Anfang November bekanntgegeben.

Vom im MDax gelisteten Medizintechnikkonzern Carl Zeiss Meditec wird es am Freitag zudem ebenfalls endgültige Jahreszahlen geben. Laut vorläufigen Erkenntnissen von Ende Oktober hatte das Unternehmen im Geschäftsjahr 2018/2019 beim operativen Ergebnis nicht so gut abgeschnitten wie ursprünglich gedacht.

Daneben könnten Investoren von der einen oder anderen konjunkturellen Entwicklung auf Trab gehalten werden. So werden bis zur Wochenmitte aus der Eurozone sowie aus den USA oft auch hierzulande bewegende Stimmungsdaten erwartet. Am Freitag kommt dann noch der US-Arbeitsmarktbericht hinzu, wobei Marktexperten hier angesichts der guten Beschäftigungslage weiter optimistisch sind. Mit Blick auf neue Daten von der deutschen Industrieproduktion im Oktober hoffen Beobachter indes weiter auf Zeichen einer Erholung./kro/tih/he

--- Von Karolin Rothbart, dpa-AFX ---