Diskretionäre Vermögensverwaltung. Sie ist der passiven, indexorientierten Anlage in einigen Punkten etwas voraus.

Der Darwinismus besagt, dass die am besten angepasste Art überlebt. Diese Theorie ist auch in der Finanzwelt weit verbreitet. Die Verwaltungsmethoden von Portfolios mit beweglichen Vermögenswerten sind davon direkt betroffen. So haben sich die Rahmenbedingungen für die Vermögensverwaltung in den letzten Jahren grundlegend verändert: technologische Entwicklungen, künstliche Intelligenz und Robotisierung, regulatorische Entwicklungen, Standardisierung von Beratungsprozessen und Anlegerschutz. Diese neuen Ansätze destabilisieren die bald hundertjährigen Praktiken der Vermögensverwalter - eine Geschäftspraxis und -kultur, die auf der persönlichen Beziehung und dem Vertrauen in den Experten beruhte. Einst dem freien Ermessen jedes einzelnen Vermögensverwalters überlassen, ist die Vermögensverwaltung heute dabei, zu einer regelrechten Industrie und Wissenschaft zu werden. Bedeutet das, dass die passive, indexierte, rein robotergesteuerte Verwaltung alles übernehmen wird? Ganz im Gegenteil: Die aktive, im Rahmen eines diskretionären Mandats betriebene Vermögensverwaltung geht deutlich gestärkt aus den aktuellen Veränderungen hervor.

Paradoxe Folgen der Technik

Künstliche Intelligenz und Robotisierung sind im Portfoliomanagement bereits Realität. Die grossen Kapazitäten im Bereich der Datenverarbeitung ermöglichen ein extrem diszipliniertes Management und erhöhen auch die analytischen Fähigkeiten. Der automatisierte Austausch mit Anlegern rund um die Uhr entspricht der Nachfrage eines Teils des Marktes. Die zahlreichen operativen Vorteile sind jedoch nicht gleichbedeutend mit besserer Performance. Die ersten durch Roboter verwalteten Mandate haben nicht überzeugt. Es fehlt ihnen an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bezüglich der Marktbewegungen. Sie basieren auf deterministischen und probabilistischen Algorithmen sowie auf einer äußerst simplen Allokation mittels passiver Fonds. Die heute verfügbaren Technologien können es bisher noch nicht mit einem aktiv verwalteten diskretionären Mandat aufnehmen. Oft gründen Regulierungen auf einer Idealvorstellung, die sie zu verwirklichen suchen. Im Bereich der privaten Kapitalanlagen zielen die neuen Vorschriften (Fidleg in der Schweiz und Mifid in Europa) darauf ab, die Anleger besser vor schlechter Beratung oder toxischen Produkten zu schützen. Um einigen Fällen von Missbrauch vorzubeugen, werden überzogene Regulierungen eingeführt. In einem derartigen Umfang, dass eine persönliche und unverbindliche Beratung zugunsten mechanistischer Verfahren untersagt wird. In diesem restriktiven Umfeld müssen Vermögensverwalter und Kunden ihre Beziehungen und Arbeitsweisen neu formulieren.

Regulatorische Effekte

Das diskretionäre Mandat entspricht einer klar definierten Beziehung zwischen Anleger und Bevollmächtigtem und wird daher de facto durch die regulatorischen Entwicklungen begünstigt. Das erste Briefing ist bei dieser Art der Vermögensverwaltung von grundlegender Bedeutung. Dabei werden im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Anleger und Verwalter die Renditeziele, der Anlagehorizont und die Parameter der Risikobudgetierung festgelegt. Anstatt seine Energie für taktische Entscheidungen zu verschwenden, ob er in das eine oder andere Anlagevehikel investieren soll, sollte sich der Anleger besser auf die strategischen Entscheidungen konzentrieren können, die in seiner alleinigen Verantwortung liegen. Der regulatorische Druck stellt daher eine Herausforderung für alte Gewohnheiten dar, und zwar sowohl für Anleger als auch für Vermögensverwalter. Es wird klar unterschieden zwischen der delegierten Verwaltung im Rahmen eines Mandats einerseits und Transaktionen, die vom Anleger eigenständig und ohne vorherige Beratung durchgeführt werden (execution only) anderseits. Dadurch wird eine «gleichberechtigte» Verwaltung auf der Grundlage einer Partnerschaft im Rahmen einer Ad-hoc-Beratung durch den Manager und einer Auftragsabwicklung durch den Anleger/Kunden verunmöglicht. Diese Form der gemeinsamen Verwaltung war zwar weit verbreitet, aber angesichts der Verflechtungen und der daraus resultierenden unklaren Verteilung der Verantwortlichkeiten nicht von Dauer. Die plötzliche Veränderung der Rahmenbedingungen zwingt Banken, die private Vermögensverwaltung anbieten, ihre Rolle zu klären. Die delegierte Verwaltung im Rahmen eines Mandats bietet eine einfache und transparente Lösung. Die Bank kann dafür haftbar gemacht werden (product liability) und muss daher eine äußerst zuverlässige Verarbeitungskette einrichten. Der Anleger seinerseits muss seinem Verantwortungsbereich Wert verleihen, indem er den strategischen Rahmen des Mandats definiert. Was die Methode betrifft, ist aktives Management «der am wenigsten schlechte Ansatz». Es ermöglicht Selektivität und Filterung sowohl nach herkömmlichen Finanzparametern als auch nach anderen qualitativen Kriterien wie beispielsweise ESG-Kriterien. Fortschritte bei den Algorithmen und einige Entdeckungen im Fintech-Bereich wurden bereits in die «ISO-genormten » Reinräume der zentralisierten aktiven Vermögensverwaltung integriert. Das aktive Verwaltungsmandat ist daher ausgereifter und potenziell leistungsfähiger als die passive, robotergesteuerte Verwaltung oder die Ad-hoc-Beratung.

Blaise Goetschin, CEO, Banque Cantonale de Genève


BCGE - Banque Cantonale de Genève veröffentlichte diesen Inhalt am 24 Oktober 2019 und ist allein verantwortlich für die darin enthaltenen Informationen.
Unverändert und nicht überarbeitet weiter verbreitet am 24 Oktober 2019 19:45:02 UTC.

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