(neu: freiwillige Gehaltserhöhung durch die Lufthansa, weitere Details)

FRANKFURT (dpa-AFX) - Der für Sonntag angekündigte Warnstreik bei der Lufthansa könnte weit mehr Passagiere treffen als bislang angenommen. Die Kabinengewerkschaft Ufo hat am Freitag ihren Streikaufruf auf die übrigen deutschen Flugbetriebe des Lufthansa-Konzerns ausgeweitet. Nun sollen am Sonntag zwischen 05.00 und 11.00 Uhr bundesweit auch sämtliche Starts der Töchter Eurowings, Germanwings, Lufthansa Cityline und SunExpress bestreikt werden, wie die Gewerkschaft mitteilte. Eine Stunde später soll der Streik bei der Kerngesellschaft Lufthansa in Frankfurt und München beginnen.

Mit dieser Drohung sind nun rund 500 statt der bislang bekannten 160 Abflüge im Streikzeitraum gefährdet. Zehntausende Passagiere müssen um ihre Verbindungen bangen. Neben den Lufthansa-Drehkreuzen München und Frankfurt wären auch Eurowings-Basen wie Düsseldorf, Stuttgart oder Berlin betroffen. Die Lufthansa hatte angekündigt, das Flugprogramm ihrer Kerngesellschaft in München und Frankfurt trotz des Streiks unverändert anzubieten. Dafür waren intern Ersatzkräfte gesucht worden.

Ufo zeigte sich unbeeindruckt von der kurzfristigen Ankündigung des Konzerns, die Gehälter für die Beschäftigten der Kernmarke freiwillig um 2,0 Prozent zu erhöhen und damit die Forderung von 1,8 Prozent überzuerfüllen. Damit sei zunächst nur die Forderung für eine von fünf Gesellschaften erfüllt, erklärte ein Sprecher. Zudem sei eine freiwillige Zahlung etwas völlig anderes als eine tarifliche Vereinbarung.

"Auf zynische Weise stilisiert Lufthansa den langen Konflikt nun zu einem Show-down auf dem Rücken der Kunden und Mitarbeiter, indem sie droht und es darauf ankommen lässt, Flüge mit Streikbrechern durchzuführen", erklärte der frühere Ufo-Chef Nicoley Baublies in einer Mitteilung. Da keine schnelle Änderung zu erwarten sei, würden alle Ufo-Mitglieder zu Urabstimmungen über unbefristete Streiks aufgerufen. Die Abstimmungen sollten bis zum 1. November dieses Jahres laufen.

Bei 500 Flügen wären schätzungsweise rund 100 000 Passagiere betroffen. Hunderte Flugbegleiter sind zum Streik aufgerufen. In Mittelstreckenflugzeugen sind üblicherweise vier Flugbegleiter an Bord, in den größeren Übersee-Jets sind es bis zu 20 im Fall des Airbus A380.

"Wir sind streikbereit", bekräftigte der stellvertretende Ufo-Vorsitzende Daniel Flohr am Freitag. Die Gewerkschaft verlangt für die rund 22 000 Flugbegleiter bei der Lufthansa offiziell 1,8 Prozent mehr Geld. Für die übrigen Flugbetriebe gelten andere spezifische Tarifziele.

Hinter dem Arbeitskampf steckt aber ein tiefes Zerwürfnis zwischen Ufo und dem Lufthansa-Konzern. Das Unternehmen erkennt den Ufo-Vorstand nach erheblichen Führungsquerelen nicht mehr als vertretungsberechtigt an und will der Gewerkschaft gerichtlich die Tariffähigkeit absprechen lassen. Der langjährige Ufo-Vorsitzende Baublies wurde sogar aus dem Lufthansa-Dienst entlassen. Den Streik bewertet Lufthansa in dieser Logik als rechtswidrig und hat Teilnehmern mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht. Parallel hat die DGB-Gewerkschaft Verdi die Lufthansa zu Verhandlungen über das Kabinenpersonal aufgefordert. Der Ufo-Vize Flohr wirft dem Konzern vor, seine Gewerkschaft zugunsten der Konkurrenz Verdi kaltstellen zu wollen.

Auch am Freitag lag zunächst kein Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen den bereits am Montag angekündigten Arbeitskampf vor, wie Lufthansa bestätigte. Das Unternehmen könnte aber auch im Nachgang rechtliche Schritte gegen die Ufo einleiten.

Intern hat die Lufthansa nach Flugbegleitern gesucht, die am Sonntag freiwillig arbeiten. Zu Einzelheiten wollte sich das Unternehmen aber nicht äußern. Die Fluggäste sind aufgefordert, sich über den Status ihrer Flüge zu informieren. Sofern sie ihre Kontaktdaten hinterlegt haben, werden sie direkt informiert.

Die Ufo warnte das Unternehmen davor, für die Streikzeit Listen über Krankmeldungen zu führen, weil dies gegen den Datenschutz verstoße und strafbar sei. Ihren Mitgliedern rät die Gewerkschaft, bereits ab dem ersten Tag der Erkrankung ein ärztliches Attest bereit zu halten.

In der Vergangenheit hatte Lufthansa bei Streikdrohungen der Piloten oder Flugbegleiter von sich aus viele Flüge abgesagt und einen Not-Flugplan erstellt. Zum eigentlich angekündigten Streik musste es dann wegen der Flugstreichungen gar nicht mehr kommen. Die Lufthansa-Flugbegleiter hatten zuletzt im November 2015 gestreikt./ceb/DP/stw