MÜNCHEN (dpa-AFX) - Seit dem Börsendebüt vor einem Jahr hat sich Knorr-Bremse mit Blick auf die schwache Konjunktur und Probleme einiger Kunden wacker geschlagen. Trotz des schwieriger werdenden Umfelds ist der Bremsenspezialist stark gewachsen. Im Frühjahr hatte aber eine Führungskrise für Turbulenzen gesorgt - immerhin konnte diese Baustelle jüngst geschlossen werden. Am Aktienmarkt ist die anfängliche Euphorie aber verflogen. Was im Konzern los ist, wie Analysten es bewerten und wie es um die Aktie steht.

DAS IST LOS BEI KNORR-BREMSE:

Der plötzliche Abgang des bisherigen Konzernlenkers Klaus Deller kam im Frühjahr für Außenstehende völlig überraschend. Der seit 2015 an der Spitze des Unternehmens stehende Deller hatte im vergangenen Jahr 30 Prozent der Knorr-Bremse-Aktien erfolgreich an die Börse gebracht und auch gute Zahlen für 2018 vorgelegt. Doch "unterschiedliche Auffassungen von Führung und Zusammenarbeit" führten zum Aus, wie der Konzern damals mitteilte.

Nachdem Finanzchef Ralph Heuwing und weitere Vorstandsmitglieder Dellers Aufgaben zwischenzeitlich übernommen hatten, konnte der Posten nun besetzt werden. Bernd Eulitz wird Anfang November neuer Chef. Er bringt langjährige Erfahrung unter anderem beim Gasekonzern Linde mit.

Der heutige Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrats Heinz Hermann Thiele hatte das Unternehmen seit Mitte der 1980er Jahre zum Weltmarktführer bei Zug- und Lkw-Bremsen gemacht. Heute ist Knorr-Bremse nach eigenen Angaben nicht nur führend bei Bremsen für Züge und bei Druckluftbremsen in Lastwagen, sondern stellt unter anderem auch Zugtüren, Lenksysteme sowie Heizungs- und Lüftungssysteme her. Das Familienunternehmen beschäftigt knapp 29 000 Mitarbeiter.

Sowohl der Bereich der Systeme für Schienenfahrzeuge als auch für Nutzfahrzeuge konnte im ersten Halbjahr beim Umsatz und operativen Gewinn teils klar zulegen. Bereits im Mai hatte der Lkw- und Zug-Zulieferer zudem die Prognose für das laufende Geschäftsjahr leicht erhöht und diese im September bestätigt.

Obwohl die Zahlen zuletzt überwiegend erfreulich waren, trübte der schwache Auftragseingang das Bild. Im zweiten Quartal war er sogar rückläufig und stieg im gesamten ersten Halbjahr nur leicht. Die sich abkühlende Weltkonjunktur bremste auch die Münchner.

Um dauerhaft konkurrenzfähig zu bleiben, schreckt Knorr-Bremse auch vor harten Schnitten nicht zurück. Der Konzern schließt das Werk für Lenkungssysteme in Wülfrath (NRW). Begründet wurde dies vor allem mit dem unerwartet frühen Auslaufen eines Großauftrags für Pkw-Lenksysteme. Zuletzt wurde zudem der defizitäre Bereich Powertech mit Verlust verkauft.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Analysten schätzen die Perspektiven von Knorr-Bremse derzeit nicht positiv ein. Von den insgesamt 10 im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten empfiehlt mit Xingzhou Lu von der Schweizer Bank UBS nur einer den Kauf der Aktie. Zwar sei die Nachfrage am Lkw-Markt aktuell schwach, doch dürfte der Abschwung insgesamt moderat ausfallen und 2021 eine Erholung einsetzen, gibt sich Lu zuversichtlich.

Gleich siebenmal lautet derweil der Rat, die Knorr-Bremse-Aktien zu halten. Die Privatbank Hauck & Aufhäuser sowie die Credit Suisse raten gar zum Verkauf.

Für Hauck & Aufhäuser-Analyst Frederik Bitter sind die Marktanteilsverluste im Geschäft mit Systemen für Schienenfahrzeuge in China eine negative Überraschung. Zudem werde der Gegenwind auch bei den Nutzfahrzeuge immer schärfer. Er sieht seine skeptische Einschätzung nach den jüngsten Zahlen voll bestätigt.

Auch Leo Carrington von der Credit Suisse ist besorgt um das Geschäft mit Bremssystemen für Nutzfahrzeuge. Die Bewertung der Aktie spiegele die zyklischen Risiken in dieser Sparte und den Wettbewerb in China nicht ausreichend wider, mahnt er.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Nach der Erstnotiz im Herbst 2018 ging es für die Knorr-Bremse-Aktie erst einmal fast nur bergauf. Vom Ausgabepreis bei 80 Euro ging es bis auf 103,70 Euro nach oben. Diesen Kurs hatte das Papier vor dem Aus für Deller erreicht. Die folgende Führungskrise war der erste Grund für das Ende der Party.

Zudem trübte sich die Konjunktur ein. Die Sorgen vor einer Schwäche der Weltwirtschaft drückte bei den Lastwagenherstellern - einer wichtigen Kundengruppe - auf die Stimmung. Der Kurs sackte im Sommer fast auf den Ausgabepreis und konnte sich bis zuletzt kaum erholen.

Mit Kursen von knapp 85 Euro kostete das Papier zuletzt nur sechs Prozent mehr als zum Börsendebüt. Damit schnitt Knorr-Bremse aber etwas besser ab als der Mittelwerte-Index MDax, in den das Unternehmen im Frühjahr aufgestiegen ist. Damit ist einer der größten Börsengänge hierzulande der vergangenen Jahre trotz einiger Schwierigkeiten zu Beginn und in den vergangenen Monaten unter dem Strich immer noch ein Erfolg.

Knorr-Bremse erlöste beim Börsengang knapp 3,9 Milliarden Euro und rangierte 2018 hinter Siemens Healthineers auf dem zweiten Platz der größten deutschen Börsengänge. Profiteur der Platzierung war die Familie um den früheren Unternehmens- und Aufsichtsratschef Thiele - diese hatte bei dem Börsengang Kasse gemacht und hält immer noch 70 Prozent der Anteile.

Die Siemens-Tochter hatte im Frühjahr 2018 mit 4,2 Milliarden Euro nur etwas mehr als Knorr-Bremse eingenommen. In puncto Kursentwicklung lief der Medizintechnikkonzern Knorr-Bremse aber deutlich den Rang ab. Für die Siemens-Healthineers-Aktie ging es seit dem Börsengang um fast 30 Prozent nach oben./eas/zb/jha/